Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Mein Vater erzählt - Gutkin, P: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Me
sie das Feuer eröffneten. Ob wir gemeint waren, weiß ich nicht. Jedoch waren die Einschläge der Granaten gefährlich nahe.
Als der Beschuss aufhörte, und sich das Flugzeug wieder weit genug entfernt hatte, trauten wir uns so weit hinter der Ecke hervor, dass wir die Brücke sehen konnten, die im Wasser lag.
Wir zogen uns wieder hinter die Ecke zurück, als mein Freund Helmut sagte: „Guckt mal, da drüben liegt eine Panzerfaust.“
Dabei zeigte er auf die andere Seite des Platzes, wo die Panzerfaust zwischen den Trümmern lag.
Die Waffe bestand aus einem fast einen Meter langen Stahlrohr. Darauf befand sich eine einfache, klappbare Zielvorrichtung mit einer Abfeuerungseinrichtung. Vorne drauf steckte die mit Sprengstoff gefüllte, tropfenförmige Granate, die an ihrer dicksten Stelle einen Durchmesser von ungefähr fünfzehn Zentimetern hatte.
Helmut überlegte laut: „Wie kommen wir denn da ran, ohne dass die da drüben uns sehen?“
„Wir müssen eben die ganze Zeit in Deckung bleiben“, antwortete ich aufgeregt.
Geduckt und zwischen den Trümmern Schutz suchend, sind wir auf die andere Seite des Burgplatzes gelaufen. Helmut hat sich rasch die Panzerfaust geschnappt und wir sind auf dem gleichen Weg zurück zum Versteck hinter dem Eckhaus.
„Was machen wir denn jetzt damit?“, fragte Otto ziemlich naiv.
Helmut antwortete wagemutig: „Wir schießen auf die Brücke – ist doch klar.“
Aus der Deutschen Wochenschau wussten wir, wie man mit einer Panzerfaust umgeht. Vor allen Dingen, dass sie beim Abfeuern keinen Rückschlag hat und ein mächtiger Feuerstrahl hinten raus schießt. Also hat Helmut, der war der Größte und Kräftigste von uns, das Ding entsichert. Er hat die Metallschiene aufgeklappt, die sich auf dem Abschussrohr befand. Das war die Zielvorrichtung.
Der Doppeldecker war außer Sichtweite. Wir verließen wieder den Schutz der Hausecke und schauten auf die zerstörte Skagerrak-Brücke im Rhein. Helmut legte sich die Panzerfaust auf die Schulter und betätigte den Abzug. Gleichzeitig schoss die Granate auf die Brücke und ein gewaltiger Feuerstrahl aus der Rückseite des Rohres.
Wir sahen noch, wie die Granate in die Brücke schlug und explodierte.
Sofort eröffneten die Amerikaner das Feuer auf uns. Wir konnten gerade noch rechtzeitig hinter die Hausecke springen. Die Amerikaner haben wie verrückt auf uns geschossen. Wir fühlten uns einigermaßen sicher hinter der Häuserfront und sind rasch in deren Schutz abgehauen, bevor das Beobachtungsflugzeug wieder zurückkam.
Ich sagte noch beeindruckt: „Mensch, das war ja eine tolles Ding.“
Und Helmut begeistert: „Ja, habt Ihr gesehen, was für ein Loch die Granate in die Brücke gerissen hat?“
Den ganzen Heimweg haben wir eifrig darüber geschwatzt, wie die Granate loszischte und in die Stahlkonstruktion der Brücke schlug.
Wegen Winterporree unter Beschuss
Die Südbrücke war nun ebenfalls zerstört. Düsseldorf lag unter ständigem Beschuss durch die Amerikaner, die die linke Rheinseite besetzt hatten. Der Aries, das Beobachtungsflugzeug, flog immer noch bis nach Dormagen und zurück, um jede Bewegung zu melden.
Ich sagte meiner Mutter Bescheid, dass ich mit einigen Freunden auf dem Fahrrad Richtung Hamm zum Rhein fahren würde. Ich hatte gehört, dass auf den Feldern dort Winterporree wachsen soll.
Meine Mutter schlug die Hände zusammen und drohte mir: „Wage es nicht zum Rhein zu fahren. Das ist viel zu gefährlich.“
„Aber dort soll Gemüse wachsen und wir haben doch alle Hunger“, lautete mein Einwand.
Meine Mutter war außer sich: „Du hast bis jetzt überlebt und willst dich wegen Gemüse abschießen lassen?“
Trotz der Besorgnis meiner Mutter, bin ich zusammen mit meinen Freunden losgeradelt. Mein Vater organisierte schließlich auch die ganze Zeit Dinge, die das Leben leichter machten. Dazu fuhr er mit einem alten Postfahrrad durch die Gegend. An diesem war vorne ein großer viereckiger Korb aus Metall befestigt mit einem riesigen Klappständer darunter. Somit war es ein hilfreiches Transportmittel.
Im Schutz der Bäume des heutigen Südrings fuhren wir unbemerkt vom Piloten des Aries-Beobachters bis zum Südfriedhof. Die verlassene Gärtnerei bot einen düsteren und traurigen Anblick. Am Haupteingang stellten wir unsere Räder ab. Wir trugen Säcke bei uns, in der Hoffnung, sie bis an den Rand füllen zu können. Nun liefen wir am Friedhof vorbei. Von einer Deckung zur nächsten rennend, damit
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