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Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Mein Vater erzählt - Gutkin, P: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Me

Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Mein Vater erzählt - Gutkin, P: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Me

Titel: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Mein Vater erzählt - Gutkin, P: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Me Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gutkin
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Kassel erreicht und warf nun die tödliche Last ab.
    Wieder spähten wir über den Rand und sahen, dass Phosphorbomben wie flüssiges Feuer auf die Stadt niederregneten und die Häuser in Flammen aufgingen. Die ganze Luft über der Stadt wirbelte nur so von Feuer und Hitze. Feuerstürme wüteten durch die Stadt. Dumpf drang der Lärm der Explosionen bis zu uns herüber. Wir sahen die schwarzen, senkrechten Streifen über der Stadt, die Stabbrandbomben beim Fallen hinterlassen. Hunderte davon wurden abgeworfen. Ich dachte an die armen Menschen, die sich jetzt dort befanden.
    Nach einer endlos erscheinenden Zeit war der Angriff vorüber und die feindlichen Bomber flogen zurück. Wir waren so geschockt, dass wir eine Zeit lang nur Löcher in die Luft gestarrt haben.
    Bis Werner mit tonloser Stimme fragte: „Ob wohl noch weitere Angriffe folgen?“
    Otto antwortete fast sachlich: „Wir bleiben besser einfach noch hier.“ Und weiter: „Mann, die Flaksoldaten sind alle tot.“
    Ich überlegte: „Ob der Zug wohl noch fahren kann? Hoffentlich ist er nicht zu stark beschädigt.“
    Wir haben über eine Stunde abgewartet, bevor wir beschlossen, zum Zug zurück zu gehen.
    Meine Freunde Werner, Otto, Jö und ich kletterten aus dem Bombentrichter, der uns gerettet hatte. Auch andere Menschen, die sich ebenfalls versteckt hatten, kehrten nach und nach zurück zum Zug. Als wir die Waggons erreichten, stellten wir fest, dass es kaum Überlebende gab. Der Zug war total zerschossen und nicht mehr fahrbereit. Der Lokführer hatte sich unter der Lok in Sicherheit gebracht und so den Angriff überlebt. Er wies uns alle an, zu Fuß den Gleisen zu folgen, bis wir an ein Stellwerk kommen. Er hatte einen Kollegen benachrichtigt, der sich mit einem Zug auf dem Weg Richtung Hagen befindet. Dieser würde uns dort aufnehmen. Er ermahnte uns eindringlich, dass wir uns auf gar keinen Fall von den Gleisen entfernen sollten. In den waldreichen Gebieten befanden sich etliche Lager, in denen Kriegsgefangene untergebracht waren. Die würden wahrscheinlich nicht zimperlich mit uns umgehen, wenn sie uns in die Finger bekämen.
    Wir sind ungefähr acht Kilometer zu Fuß gegangen, bis die Wälder sich lichteten und Felder sich breit machten. Nun konnten wir uns endlich ein wenig freier bewegen und an den Seiten in den Büschen mal austreten.
    Als wir später Hagen erreichten, empfing uns ein bestialischer Gestank.
    Die gezielten Bombenangriffe auf die Züge und die Bahnanlagen hatten wohl Teile der Kanalisation zerstört. Die Fäkalienbrühe schwappte durch den kompletten Bahnhof bis hoch an die Bahnsteige.
    Da der Zugverkehr hier weitgehend eingestellt war, haben wir uns zu einem anderen Bahnhof in Hagen durchgefragt. Immer auf der Hut vor den Uniformierten. Wir wollten schließlich nicht verhaftet werden.
    Endlich kamen wir an einem kleineren Bahnhof an. Schilder oder Informationstafel gab es keine. So musste man immer nachfragen, wohin ein Zug unterwegs ist.
    Wir fragten also einen Lokführer, der gerade mit seinem vom Ruß geschwärzten Gesicht aus dem Seitenfenster schaute, ob der Zug Richtung Düsseldorf fährt. Zu unserer Freude sagte er, dass der Zug auch in Düsseldorf hält.
    Wir stiegen in einen Waggon und setzten uns in ein Abteil auf die harten Holzbänke. Dieses Mal durften wir nicht beim Lokführer mitfahren. Sobald der Zug hielt, beobachteten wir aufmerksam die zusteigenden Leute. Wir rechneten damit, dass man uns sucht und wollten nicht riskieren, geschnappt zu werden.
    Irgendwann haben wir dann Wuppertal erreicht. Nun war es nach Düsseldorf nicht mehr weit.
    Kurz nachdem der Zug Wuppertal verlassen hatte, stoppte er auf freier Strecke zwischen Hochdahl und Haan. Erschrocken dachte ich, dass der Zug schon wieder angegriffen wird. Doch er hielt, weil der Zugführer noch keine Erlaubnis hatte in Düsseldorf einzufahren.
    Wir sind mal wieder aus dem Zug gesprungen, um die ungefähr zwölf Kilometer zu Fuß nach Düsseldorf zu gehen. Das erschien uns sicherer, als mit unserer halben Uniform auf dem belebten Düsseldorf Hauptbahnhof rumzulaufen. Unsere größte Angst war, von den Kettenhunden erwischt zu werden. Diese Bezeichnung trugen die Feldgendarme, weil zu deren Uniform eine große Metallplakette mit der Aufschrift Feldgendarmerie gehörte, die an einer breiten Kette um den Hals getragen wurde.
    Die Kettenhunde patrouillierten besonders an Bahnhöfen, weil sie flüchtige Soldaten oder waffenfähige Männer suchten und verhafteten.

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