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Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Titel: Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Fluegge
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einen Selbstmordversuch. Er sah keine Zukunft mehr für sich, war zermürbt durch die beiden Internierungen, seine Krankheit und nun die vergebliche Flucht. Aber er überlebte trotz einer Überdosis Schlaftabletten. In den nächsten Monaten wohnten die Hessels zunächst bei Bauern, später auf einem Schloss, das einer Bekannten von Helen gehörte.
    Im April 1944 tauchte überraschend Stéphane auf. Er war aus London gekommen und engagierte sich nun im besetzten Land für die Résistance. Er wollte seine Mutter in seine geheimen Aktivitäten einbeziehen und nahm sie mit nach Paris. Ulrich sollte im Département Haute-Savoie bleiben. Dort war er aber nicht sicher, denn die lokale Résistance hielt ihn für einen verdächtigen Deutschen, nahm ihn fest und verhörte ihn. Man wollte ihn als Unterhändler zu einer deutschen Kompanie schicken, was Ulrich ablehnte. Er tat gut daran, denn die anderen Parlamentäre wurden von den Deutschen erschossen. Das hätte noch gefehlt, dass die Résistance Uli in Gefahr brachte, während sein Bruder für dieRésistance sein Leben riskierte. Denn das tat er offensichtlich. Im Juli 1944 kam Helen zurück zu Ulrich, völlig verstört. Stéphane war plötzlich verschwunden. Man musste annehmen, dass man ihn verhaftet hatte. Es war mit dem Schlimmsten zu rechnen.

Kämpfer
    Zu diesem Zeitpunkt hatte Stéphane schon eine längere »Karriere« im Widerstand hinter sich. Aus dem Dandy war ein Kämpfer geworden, der aber seinen Stil beibehalten hatte. Seine Lebensfreude zu bewahren sollte ihm allerdings noch schwergemacht werden.
    Ende 1940 hatte sich sein Schwiegervater Boris Mirkine Guetzévitch mit seiner Familie nach New York gerettet. Ihm hatte eine Einladung der dortigen New School for Social Research vorgelegen, was die Formalitäten der Einreise erleichterte und sichere Einkünfte bedeutete. Auch Stéphane als sein Schwiegersohn hätte ein Visum für die USA erhalten. Aber nur Vitia nahm es in Anspruch. Stéphane wollte sich in London den Anhängern von General de Gaulle anschließen und als Soldat kämpfen. Zu den Gaullisten rechnete sich auch sein Schwiegervater, der in New York zu den politisch sehr aktiven »Freien Franzosen« gehörte.
    Noch vor der Ausreise aus Frankreich hatte Stéphane mit Hilfe von Vitias Gouvernante Valya Spirga eine kleine Heldentat vollbracht. 1938 hatte Vitia ein Häuschen erworben in Milon-la-Chapelle, im Tal der Chevreuse, südwestlich von Versailles, also in der besetzten Zone. Im dortigen Garten hatte sie, als der Krieg ausbrach, das Familiengold vergraben. Nun gelang es Stéphane, den Schatz unbemerkt auszugraben und sicher nach Aix zu bringen, seine erste geheime Aktion in diesem Krieg.
    Boris Mirkine Guetzévitch verbrachte den ganzen Krieg in New York. Nach 1945 lebte er teils in den USA, teils in Frankreich. Er schrieb viele Werke über internationales Verfassungsrecht, aber auch über die politischen Ideen der Résistance sowie über den Parlamentarismus. Er war ein Anhänger der europäischen Idee und trat schon früh für ein einheitliches Verfassungsrecht in Europa ein.
     
    Wie war Stéphane nach London gekommen? Von Marseille ging es mit einem unauffälligen Schiff nach Oran, von dort nach Casablanca, dann weiter nach Lissabon. In der portugiesischen Hauptstadt traf er Vitia, deren Eltern schon in New York waren. Stéphane gewann etwas Geld im Casino von Estoril, blieb aber bei seinem Entschluss, nach London zu fliegen, während seine Frau die Überfahrt nach Amerika unternahm.
    Im März 1941 landete er in Bristol, wo er sorgfältig kontrolliert wurde. Man entdeckte bei ihm zwei Pässe, die nicht identisch waren. In einem wurde als Geburtsort Berlin angegeben, was man verdächtig fand. Sechs Wochen lang dauerte seine Überprüfung. Unterdessen logierte er in der Royal Victoria Patriotic School. Er protestierte gegen seine Internierung und vertrieb sich die Zeit mit Tischtennis und Bridge, las viel, diskutierte mit Leuten aus vielen Ländern. Ein estnischer Matrose schwärmte von New York, wo man nachts um drei alles kaufen könne, was man brauche. Dort wäre er jetzt sicher und bei seiner Frau, mag Stéphane gedacht haben. In London war er den deutschen Luftangriffen ausgesetzt. Er war bisher eher pazifistisch eingestellt und geistigen Genüssen zugeneigt gewesen; doch nun erfasste ihn kriegerische Begeisterung, er wollte gegen die Feinde kämpfen. Und er musste nicht lange warten. Der Vetter, der ihn sieben Jahre zuvor bei seinem ersten

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