Sterbelaeuten
Foto hindurch in eine glanzvolle Vergangenheit.
„Ein herrliches Kleid“, stellte Jakob mit Kennermiene fest. Er führte das Foto näher an seine Augen. „Und ganz exquisiter Schmuck, nach allem, was ich erkennen kann. Modeschmuck?“, fragte er und zwinkerte Ursel verschwörerisch zu.
„Nein, um Gottes willen! Wo denken Sie hin!“ Ursel war ganz rot geworden und winkte Jakob dann drohend mit dem Zeigefinger. „Das hätte mein Gottfried nie auf sich sitzen lassen. Er hätte mich niemals mit billigen Klunkern auf den Wiener Opernball gehen lassen. Wie hätte er denn vor seinem Chef dagestanden und ich vor seiner Frau.“
„Sagenhaft.“ Jakob nahm das Bild wieder genau in Augenschein. „Ihr verstorbener Mann muss einen ausgezeichneten Geschmack gehabt haben. Diese Stücke sind wirklich edel. Ein wahrer Augenschmaus. Leider erkennt man so wenig. Sie sind ja so klein auf dem Foto.“
„Ja, ja.“ Ursels Blick wurde wieder verträumt. Sie war mit ihren Gedanken offenbar wieder beim Opernball.
„Wissen Sie was, Ursel?“ Jakob stellte das Bild zurück auf die Kommode und legte eine Hand auf Ursels Arm. „Ich darf doch Ursel sagen? Ich bin der Jakob.“
„Ja, natürlich, äh, Jakob.“
„Ich würde diesen herrlichen Schmuck für mein Leben gerne an Ihnen sehen, Ursel.“
„Was, an mir?“ Ursel schüttelte amüsiert den Kopf. „An meinem faltigen Dekolleté, ach was!“
„Ursel, Ursel!“ Jakob machte einen Schritt zurück und legte die Hände wie zum Gebet zusammen. „Sie sehen das ganz falsch. Exquisiter Schmuck muss von einer Dame getragen werden, einer Dame mit Stil, und wenn ich eine kenne, dann sind Sie das. Wenn ein junges Ding sich dieses Collier anlegt, wird es davon noch längst nicht zur Dame. Der Schmuck weiß, von wem er getragen werden will, und ich sage Ihnen, Ursel, dieser hier will von Ihnen getragen werden.“
Ursel wiegte lächelnd den Kopf hin und her. Sie war geschmeichelt und verlegen.
„Johannes, sag du etwas!“ Jakob klopfte Torat auf die Schulter. Er hatte wohl nur unentschlossen mit den Schultern gezuckt. Ihm schwirrte der Kopf. Er ahnte, dass er gerade Zeuge davon wurde, wie Jakob Menschen verführte. Es war eine Kunst und keiner beherrschte sie wie er. Was führte er im Schilde?
„Sehen Sie, Johannes ist der gleichen Meinung. Bitte, Ursel, erweisen Sie uns diese Ehre und tun Sie Ihrem wunderbaren Schmuck noch einmal den Gefallen, bewundert zu werden. Das ist schließlich seine Bestimmung. Ihr Gottfried hatte doch, als er Ihnen den Schmuck schenkte, nicht im Sinn, dass die schönen Stücke tagein, tagaus im dunklen Kästchen liegen. Tun Sie es Gottfried zuliebe.“
„Na gut, na gut!“ Ursel klatschte in die Hände. „Wenn sich die Herren einen Moment gedulden würden“, sagte sie spaßhaft und verließ das Wohnzimmer.
„Verdammt, Jakob! Was hast du vor?“ Johannes zischte die Frage durch seine Zähne hindurch.
„Ruhig, Johannes, gönn der alten Dame die kleine Freude.“
Ursel kam zurück, bevor Johannes noch etwas sagen konnte. In den Händen trug sie zwei Schatullen.
„Halten Sie diese bitte einen Moment.“ Sie reichte Johannes die größere Schatulle mit einer Geste, die einer Königin würdig gewesen wäre. Vor dem Spiegel über der Kommode legte sie die glitzernden Ohrringe an.
„Das Collier, bitte!“
Die Hand lässig wartend ausgestreckt. Ursel genoss den kleinen Auftritt, das musste er Jakob lassen. Er öffnete die Schatulle und entnahm ihr ein schweres Collier aus Perlen und Brillanten. Er hielt es Ursel hin. Jakob sprang hinzu und nahm es ihm aus der Hand.
„Lassen Sie mich das machen!“ Er legte Ursel das Collier um den Hals und schloss den Verschluss an ihrem Nacken. Ursel drehte sich langsam zu den beiden Männern hin wie eine Braut, die sich ihrem Bräutigam zum ersten Mal im Brautkleid zeigt. Ein mädchenhaftes Lächeln umspielte ihre Lippen wie ein scheuer Vogel, der beim ersten Geräusch davonflattern würde.
Jakob betrachtete sie erst von links, dann von rechts, blieb dann vor ihr stehen. Er breitete die Arme aus, wie um sich entwaffnet zu zeigen, und sagte: „Wunderbar. Ganz wunderbar. Wie ich es mir gedacht habe. Ein wundervoller Schmuck an einer wundervollen Frau.“ Er machte einen Schritt auf Ursel zu und streckte die Hand aus. Zögernd reichte sie ihm die ihre und er gab ihr einen Handkuss mit Verbeugung und allem.
„Vielen Dank, Ursel, für diesen besonderen Moment.“
Ursel führte verlegen die Hand an ihr
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