Sterbelaeuten
Gesicht.
„Aber nun verstauen Sie die wertvollen Stücke am besten wieder an einem sicheren Platz. Johannes, was ist mit dir? Wollen wir noch etwas trinken gehen?“
Die Kneipen in Amorbach hatten mit den Studentenkneipen in Eichstätt nicht viel gemeinsam. Torat schmeckte das Bier nicht. Jakob schwadronierte über seine Zukunftspläne. Selbständig wollte er sich machen, hatte keine Lust auf die „Arschkriecherei“ in den Unternehmen. Wollte sein eigener Chef sein und so weiter und so weiter. Über Ursel sprachen sie nicht mehr an diesem Abend. Vierundzwanzig Stunden später war sie tot.
Vierter Advent
Stephanie wachte auf. Irgendetwas war falsch. Hatte sie einen Gottesdienst verschlafen? Sibylle war doch dran heute. Mit einem Ruck setzte sie sich auf. Jetzt hatte sie gemerkt, dass sie nicht in ihrem eigenen Bett lag.
Wo zum ...? – Oh, oh, oh ..., dämmerte es ihr. Mit der Erinnerung kamen auch gleich Kopfschmerzen. Johannes. Die KV-Weihnachtsfeier. Gott sei Dank, war das Bett neben ihr leer, und sie hatte Zeit, die Situation in den Griff zu bekommen.
Also, sie war in Johannes’ Bett gelandet. Hatten sie ...? Oh Gott, war das peinlich! Sie wusste nicht einmal, ob sie Sex gehabt hatte. Was dagegen sprach, war, dass sie ihre Unterwäsche trug. Stephanie roch an sich. Kein offensichtlicher „Danach-Geruch“, nur Knoblauch und Morgenmuffeligkeit. Okay, also vielleicht Sex, vielleicht kein Sex. Was sah das Protokoll der emanzipierten Frau für diese Situation vor?
Erstens: cool bleiben, sagte Stephanie sich. Zweitens: anziehen. Sie stieg vorsichtig aus dem Bett und lauschte nach Geräuschen, die auf Johannes’ Aufenthaltsort deuten ließen. Sie hörte Geklapper in der Küche. Also konnte sie sich einen Abstecher ins Bad leisten. Vorsichtig sammelte sie ihre Kleidung zusammen und schlich über den Flur ins Bad. Nach einer kurzen Katzenwäsche und vollständig angezogen fühlte sie sich in der Verfassung, Johannes gegenüberzutreten.
Torat hatte Kaffee gekocht. Er hielt ihr eine dampfende Tasse hin. „Na, ausgeschlafen? Leider können wir nicht zusammen frühstücken“, erklärte er. „Ich habe Orgeldienst in Falkenstein.“
„Oh, kein Problem.“ Stephanie war erleichtert. Gott sei Dank, kein gemeinsames Frühstück.
„Ich bringe dich auf dem Weg nach Falkenstein nach Hause“, versprach Torat.
Stephanie steckte die Nase in den Kaffeedampf. Torat werkelte am Küchentisch herum. Stephanie sah, wie er eine Thermoskanne und eine Tupperdose in einen Korb packte, in dem schon eine Decke lag.
„Willst du in Falkenstein picknicken?“, scherzte sie.
„Bis der Gottesdienst fertig ist, halte ich es nicht aus ohne Frühstück“, erklärte Torat. „Und bei denen ist es immer saukalt.“
Stephanie stellte sich Torat mit der Decke auf den Beinen an der Falkensteiner Orgel vor und schauderte bei dem Gedanken, dass sie mit diesem Kerl von einem Mann im Bett gelandet war.
Als Torat nach einer schweigsamen Fahrt durch menschenleere winterliche Straßen vor Stephanies Haus hielt, drehte sie sich zu ihm und fragte: „Johannes, haben wir ...?“
Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, bedaure. Du warst – wenn ich das so sagen darf – sternhagelvoll. Da hielt ich es nicht für fair, das auszunutzen.“
Stephanie lehnte sich erleichtert ins Polster der Rückenlehne.
„Aber ich gebe den Fall noch nicht verloren“, fügte Torat hinzu.
„Danke fürs Heimfahren.“ Stephanie stieg aus. Sie sah ihm nach, als er langsam fortfuhr. Warum hatte er sie gestern nicht einfach nach Hause gefahren, wenn sie so sternhagelvoll gewesen war?
Stephanie trat ins Haus, legte ihren Mantel ab und ging in die Küche. Dort war niemand, es waren auch keine Frühstücksreste zu sehen. Der Anrufbeantworter blinkte. Stephanie drückte auf Abspielen: „Hallo, ich bin’s“, sagte Sibylles Stimme. „Ich bin im Zug. So gegen sechs müsste ich da sein. Bis dann.“
Na, da war wohl etwas dazwischengekommen. Um sechs hätten sie sich noch getroffen, bevor Stephanie zur Weihnachtsfeier aufgebrochen war. Sie schauderte beschämt bei dem Gedanken an die Weihnachtsfeier. Hoffentlich wusste nicht schon der gesamte Kirchenvorstand, dass Stephanie gestern nicht nach Hause gegangen war.
Sibylle musste aber früh aufgestanden sein, überlegte sie weiter. Sie lauschte. Es war still im Haus. Oder hatte sie etwa verschlafen? Stephanie stieg die Treppe hoch und klopfte an Sibylles Zimmertür. Als nichts zu hören war, öffnete sie
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