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Sterbelaeuten

Sterbelaeuten

Titel: Sterbelaeuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Endemann
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zufallen.
    –
    Röhrig kratzte sich am Kopf. Er war verwirrt. Dieser Torat hatte eben noch an der Orgel gesessen und jetzt war er weg. Röhrig hatte sich einen Platz auf der Empore gesucht, von dem aus er den Organisten sehen konnte. Während des Gottesdienstes hatte er die überraschend schöne Kirche mit ihrem barocken Kirchenschiff bewundert. Nur das Altarbild war scheußlich. Die seitliche Empore schmückten Illustrationen aus dem Leben Jesu, wenn Röhrig das richtig sah. Auf der Stirnseite prangten Engel, deren Muskeltonus zu wünschen übrig ließ. Die Predigt fand Röhrig wirr, aber das mochte daran liegen, dass er in Gedanken immer wieder zu dem Fall Fromme abschweifte und dann nicht mehr mitkam und sich fragte, ob der Weihnachtsputz nun gut war oder von Übel.
    Nach dem Orgelnachspiel war Röhrig mit den anderen Kirchenbesuchern nach unten gegangen und hatte am Ausgang auf Torat gewartet, aber der kam nicht. Er konnte nicht aus dem Seiteneingang verschwunden sein, denn Röhrig hatte sich so postiert, dass er beide Ausgänge im Blick hatte. Er stand jetzt allein auf dem adventlich geschmückten Kirchplatz. Die anderen Gottesdienstbesucher waren größtenteils in einem angrenzenden Gebäude verschwunden oder nach Hause gegangen. Nur ein paar Kinder drückten sich auf dem Hof herum und spielten irgendwelche Räuber- und Gendarmspiele. Röhrig beschloss, dass Torat noch in der Kirche sein musste. Als er gerade wieder hineingehen wollte, wurde die Seitentür geöffnet und Torat trat auf den Hof. Wo hatte er nur gesteckt? Na ja, jetzt konnte er ihn ja fragen. Röhrig folgte Torat, der über den Hof zu einem kleinen Törchen lief, das zu einem Parkplatz führte.
    –
    In der Apsis waren die Kirchenvorsteher inzwischen mit dem Zählen der Kollekte fertig. Markus hörte, wie sie Richtung Ausgang gingen. Er hob den Kopf vorsichtig und spähte über die Kirchenbank. An der Orgel war plötzlich Torat aufgetaucht. Markus nahm schnell den Kopf runter. Wo war der denn gewesen, wunderte sich Markus. Er hörte, wie auch Torat sich jetzt zu den Treppen begab. Dann hörte er allerdings noch Schritte im Kirchenraum. Markus spähte wieder vorsichtig über die Bank. Es war niemand zu sehen. Aber die Seitentür fiel jetzt zu. Endlich war die Luft rein.
    –
    Lukas, der sich – den Seiteneingang immer im Blick – auf dem Spielplatz herumdrückte, sah Torat die Kirche verlassen. Jetzt hatte Markus freie Bahn und jetzt hieß es aufpassen, dass niemand ihn erwischte. Lukas vertrieb sich die Zeit damit, Schneebälle gegen die Kirchenwand zu werfen. Da kam Samuel angerannt.
    „Was ist los?“, fragte Lukas, „du sollst doch vorne aufpassen.“
    „Der fremde Mann ist gerade reingegangen. Der Verbrecher, den Torat kennt.“
    „Was will der denn hier? Was machen wir denn jetzt?“
    „Wir müssen Markus irgendwie warnen“, meinte Samuel.
    „Wir müssen reingehen.“
    Sie sahen sich um und als niemand zu sehen war, öffneten sie leise die Seitentür und gingen hinein.
    –
    Markus war zügig die Empore entlanggeeilt. Mit den Augen suchte er den Boden ab. Hier lag kein Zettel, gar nichts. Er ging weiter, hinter die Orgel, und öffnete die Tür zum Glockenturm. Obwohl draußen die Sonne schien, war es in der untersten Kammer dunkel. Markus traute sich trotzdem nicht, das Licht anzumachen. Wenn er oben nicht fündig würde, könnte er hier unten immer noch mit Licht suchen. Er stieg langsam die Treppe hoch und suchte dabei den Boden rechts und links der Treppe ab. Als er oben angekommen war, richtete er den Kopf auf und erschrak so, dass er fast die Treppe hinuntergefallen wäre. In der zweiten Kammer saß jemand. Eine unförmige, mit einer Decke umhüllte Gestalt. Markus machte ein wimmerndes Geräusch.
    Der Deckenknäuel wimmerte ebenfalls und Markus erkannte, dass es eine Frau war, die etwas über den Mund geklebt hatte. Es war Sibylle, erkannte er jetzt. Sie sah ihn aus weit aufgerissenen Augen an und wimmerte immer lauter und dringlicher. Er ging langsam zu ihr hin und streckte zögernd die Hand nach dem Klebestreifen über ihrem Mund aus. Sie nickte heftig und er packte eine Ecke des Streifens und zog ihn mit einem Ruck ab.
    „Oh, Gott sei Dank!“, rief Sibylle. „Gott sei Dank, dass du da bist! Schnell, mach mir die Arme frei!“ Sie drehte den Kopf nach hinten, um auf ihre hinter dem Rücken gefesselten Arme zu weisen.
    In dem Moment hörten sie, wie unten die Tür geöffnet wurde. Sie sahen sich erschrocken an. Sibylle

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