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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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zustand.
    Ich musste grinsen.
    Als Freddie Mercury starb, bestand die schockierende Enthüllung nicht darin, dass er schwul, sondern dass er tatsächlich Inder gewesen war.
    Wer hätte das gedacht?
    Die Häuser standen mittlerweile nicht mehr so dicht. In der Gegenrichtung war eine Weile ziemlich viel Verkehr gewesen, da die Stoßzeit näherrückte, aber jetzt ließ er mehr und mehr nach, je weiter wir in das unbesiedelte Land zwischen den Städten kamen. Wir fuhren an einigen großen, gelben Kornfeldern, weiten Erdbeerfeldern, einigen Abschnitten grünen Weidelands und ein paar frisch gepflügten Äckern mit dunkelbrauner, fast schwarzer Erde vorbei. Dazwischen Wäldchen, Dörfer, ab und zu ein Fluss, ab und zu ein See. Dann veränderte sich die Landschaft, und sie wurde fast hochgebirgsartig und war voller grüner, baumloser, brachliegender Flächen. Yngve fuhr eine Tankstelle an, füllte den Tank, schob den Kopf herein und fragte mich, ob ich etwas haben wollte, ich schüttelte den Kopf, aber als er zurückkam, reichte er mir trotzdem eine Flasche Cola und einen Riegel Bounty.
    »Wollen wir eine rauchen?«, sagte er.
    Ich nickte und stieg aus. Wir gingen zu einer Bank, die am Ende des Platzes stand. Hinter ihr floss ein kleiner Bach, über den kurz darauf eine Brücke führte. Ein Motorrad sauste vorbei, danach ein Sattelschlepper, danach ein Auto.
    »Was hat Mutter eigentlich gesagt?«, erkundigte ich mich.
    »Nicht viel«, antwortete Yngve. »Sie braucht Zeit, um es zu verarbeiten. Aber sie war traurig. Ich glaube, sie denkt vor allem an uns.«
    »Heute ist ja auch noch Borghilds Beerdigung«, meinte ich.
    »Stimmt«, sagte er.
    Ein Sattelschlepper fuhr von Westen kommend die Tankstelle an, parkte mit einem Seufzer am anderen Ende, ein Mann mittleren Alters sprang heraus und strich seine im Wind flatternden Haare auf dem Kopf glatt, während er zum Eingang ging.
    »Als ich Vater das letzte Mal gesehen habe, meinte er, er wolle Fernfahrer werden«, sagte ich und grinste.
    »Aha?«, sagte Yngve. »Wann war das?«
    »Im Winter vor, mal sehen, anderthalb Jahren. Als ich zum Schreiben in Kristiansand war.«
    Ich schraubte den Deckel von der Flasche ab und trank einen Schluck.
    »Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«, sagte ich und wischte mir den Mund mit dem Handrücken ab.
    Yngve starrte auf die Ebene jenseits der Straße, zog zweimal an seiner fast aufgerauchten Zigarette.
    »Das muss bei Egils Konfirmation gewesen sein. Im Mai letzten Jahres. Aber warst du da nicht auch?«
    »Stimmt, verdammt«, sagte ich. »Das war das letzte Mal. Oder nicht? Jetzt bin ich unsicher geworden.«
    Yngve nahm den Fuß von der Bank, schraubte die Flasche zu und ging zum Auto, gleichzeitig trat der Lkw-Fahrer mit einer Zeitung unter dem Arm und einer Wurst in der Hand ins Freie. Ich warf die qualmende Zigarette auf den Asphalt und folgte Yngve. Als ich den Wagen erreichte, lief der Motor bereits.
    »Schön«, sagte Yngve. »Jetzt sind es noch ungefähr zwei Stunden. Essen können wir, wenn wir da sind, was meinst du?«
    »In Ordnung«, sagte ich.
    »Möchtest du was Bestimmtes hören?«
    Er hielt an der Ausfahrt und schaute ein paarmal nach links und rechts, ehe wir wieder auf die Hauptstraße bogen und beschleunigten.
    »Nein«, sagte ich. »Such dir was aus.«
    Er entschied sich für Supergrass. Die Platte hatte ich in Barcelona gekauft, wohin ich Tonje zu einem Seminar für europäische Lokalsender begleitet hatte, nachdem wir die Band dort live gesehen hatten, und seither hatte ich sie und ein paar andere Platten ständig beim Schreiben meines Romans gehört. Plötzlich war ich vollkommen von der Stimmung jenes Jahres erfüllt. Also ist aus ihr schon eine Erinnerung geworden, dachte ich überrascht. Also war daraus schon die Zeit geworden, in der ich in Volda saß und rund um die Uhr schrieb, während Tonje sich vernachlässigt fühlte.
    Nie wieder, hatte sie hinterher gesagt, an jenem ersten Abend, an dem wir in unserer neuen Wohnung in Bergen saßen und am nächsten Tag in einen Türkei-Urlaub fahren wollten. Sonst verlasse ich dich.
    »Ich habe ihn danach noch einmal gesehen«, meinte Yngve. »Letzten Sommer, als ich mit Bendik und Atle in Kristiansand war. Er saß auf der Bank vor diesem Kiosk bei Rundingen, du weißt schon, als wir vorbeifuhren. Er sehe ein bisschen so aus wie ein richtiger Schwerenöter, meinte Bendik, als er Vater sah. Womit er natürlich Recht hatte.«
    »Der Arme«, sagte ich.
    Yngve sah mich an.
    »Wenn es

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