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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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weit ging, lag dies nicht daran, dass er es nicht wollte oder konnte, sondern dass er es überhaupt nicht in seinem Repertoire hatte, es war ihm schlicht unmöglich, hatte ich überlegt, und das gefiel mir an ihm, es war seine Kompetenz, die mich seit jeher angezogen hatte, und wenn ich sie einmal irgendwo gefunden hatte, verweilte ich immer gerne in ihrer Nähe, obwohl ich gleichzeitig auch begriff, dass ich sie und ihn selbst so schätzte, weil mein Vater war, wie er war, und gewesen war, wie er gewesen war. Als ich mit fünfundzwanzig Jahren heiratete, tat ich es, weil ich das Bürgerliche, Stabile, Etablierte suchte, wobei diese Seite von mir natürlich durch die Tatsache konterkariert wurde, dass wir kein solches Leben führten, kein bürgerliches und stabiles und von regelmäßigen Abläufen geprägtes Leben, im Gegenteil, und von der Tatsache, dass kein Mensch mehr so früh heiratete, wodurch es vielleicht nicht unbedingt radikal, aber immerhin originell wurde.
    Das hatte ich mir überlegt, und weil ich sie zudem liebte, war ich eines Abends, als wir in der Nähe von Maputo in Mosambik allein auf der Terrasse waren, unter einem pechschwarzen Himmel, die Luft erfüllt vom Geräusch zirpender Grillen und fernen Trommeln, die aus einem Dorf einen Kilometer landeinwärts kamen, auf die Knie gefallen und hatte sie gefragt, ob sie mich heiraten wolle. Sie antwortete etwas, das ich nicht verstand. Wie ein Ja hatte es allerdings nicht geklungen. Was hast du gesagt?, wollte ich wissen. Fragst du mich, ob ich dich heiraten möchte?, wiederholte sie. Tust du das wirklich? Fragst du mich das? Ja, sagte ich. Ja, sagte sie. Ich will dich heiraten. Wir umarmten uns und hatten beide Tränen in den Augen, und im selben Moment donnerte es tief und mächtig, und das Grollen rollte heran, und Tonje zitterte ein wenig, und dann regnete es in Strömen. Wir lachten, Tonje lief nach drinnen, um den Fotoapparat zu holen, und als sie wieder herauskam, legte sie einen Arm um mich, streckte den anderen aus, in dessen Hand sie den Apparat hielt, und fotografierte uns.
    Zwei Kinder waren wir.
    Durchs Fenster sah ich Yngve ins Wohnzimmer kommen. Er ging zu den beiden Sesseln, starrte sie an, ging dann weiter ins Zimmer hinein und verschwand.
    Sogar hier draußen lagen Flaschen herum, einige waren gegen den Lattenzaun geweht worden, andere hingen in den beiden rostigen und verschossenen Liegestühlen fest, die dort mindestens seit dem Frühjahr gestanden haben mussten.
    Yngve tauchte wieder auf, aber ich sah seine Gesichtszüge nicht, nur den Schatten, der durchs Zimmer huschte und in der Küche verschwand. Ich ging die Treppe in den Garten hinunter. Unterhalb des Grundstücks war kein Haus, dafür war der Hang zu steil, an seinem Fuß lagen jedoch der Jachthafen und jenseits davon das relativ schmale Hafenbecken. An der Ostseite grenzte der Garten dagegen an ein anderes Grundstück. Es war so gepflegt wie dieses früher, und verglichen mit all dem Hübschen und Gepflegten, das sich in den gestutzten Hecken, dem geschnittenen Gras und den farbenfrohen Blumenbeeten offenbarte, wirkte der Garten hier krank. Ich blieb ein paar Minuten stehen und weinte, ging dann zur Vorderseite des Hauses und setzte meine Arbeit in der Waschküche fort. Als ich das letzte Kleidungsstück hinausgetragen hatte, besprengte ich den Fußboden mit Klorix, brauchte die halbe Flasche auf und schrubbte anschließend, ehe ich das Ganze mit dem Schlauch in den Abfluss spülte. Danach verteilte ich Schmierseife und schrubbte den Fußboden nochmals, nun mit einem Wischlappen. Als ich ihn ein zweites Mal ausgespült hatte, dachte ich, dass dies reichen musste, und kehrte in die Küche zurück. Yngve war dabei, den Schrank innen auszuwischen. Die Spülmaschine lief. Die Arbeitsplatte war leergeräumt und gescheuert worden.
    »Ich gönne mir eine Pause«, sagte ich. »Was ist mit dir?«
    »Okay, ich will hier nur noch schnell fertig machen«, erwiderte Yngve. »Du könntest uns einen Kaffee aufsetzen.«
    Das tat ich. Dann fiel mir auf einmal das Medikament für Großmutter ein. Das konnte nicht warten.
    »Ich geh schnell zur Apotheke«, sagte ich. »Soll ich dir was mitbringen, zum Beispiel vom Kiosk?«
    »Nein«, sagte er. »Oder doch, eine Cola.«
    Als ich auf die Eingangstreppe hinaustrat, knöpfte ich meine Jacke zu. Der Haufen Mülltüten vor dem schönen, hölzernen Garagentor aus den fünfziger Jahren glänzte im grauen Sommerlicht schwarz. Die Kupplung des

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