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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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paar Sachen müssen wir noch erledigen«, meinte er. »Das heißt, du musst sie erledigen. Zum Beispiel das mit der Todesanzeige. Aber du kannst mich ja zwischendurch anrufen.«
    »Mm«, sagte ich.
    »Ist dir übrigens das Wort aufgefallen, das er benutzt hat?«, sagte Yngve. »Besichtigung?«
    Ich grinste.
    »Ja. Aber diese Branche hat auch was vom Immobilienhandel. Ihr Job ist es, jemanden möglichst gut aussehen zu lassen und möglichst viel Geld dafür zu kassieren. Hast du gesehen, was die Särge kosten?«
    Yngve nickte.
    »Ja, aber wenn man einmal da sitzt, will man auch nicht unbedingt geizig wirken«, erwiderte er.
    »Es ist ein bisschen, als würde man in einem Restaurant Wein bestellen«, sagte ich. »Wenn man sich nicht auskennt, meine ich. Hat man Geld, nimmt man den zweitteuersten. Hat man kein Geld, nimmt man den zweitbilligsten. Niemals den teuersten oder billigsten. So ist das mit seinen Särgen bestimmt auch.«
    »Du warst ja übrigens sehr entschieden«, sagte Yngve. »Also damit, dass er weiß sein soll.«
    Ich zuckte mit den Schultern, warf die glühende Zigarette auf die Straße.
    »Reinheit«, sagte ich. »Ich denke, etwas in der Art hat mir vorgeschwebt.«
    Yngve ließ seine Zigarette auf die Erde fallen und trat sie aus, öffnete die Autotür und setzte sich hinein. Ich folgte seinem Beispiel.
    »Es graut mir davor, ihn zu sehen«, sagte Yngve. Er legte sich mit einer Hand den Sicherheitsgurt an, während er mit der anderen den Zündschlüssel ins Schloss steckte und ihn drehte. »Dir auch?«
    »Ja. Aber es muss sein. Wenn ich ihn nicht sehe, werde ich nie verstehen, dass er tatsächlich tot ist.«
    »Geht mir genauso«, erklärte Yngve und warf einen Blick in den Rückspiegel. Dann blinkte er und setzte den Wagen in Bewegung.
    »Und, fahren wir jetzt zurück?«, sagte er.
    »Da ist noch die Sache mit den Maschinen«, sagte ich. »Teppichreiniger und Rasenmäher. Es wäre gut, wenn wir das regeln könnten, bevor du abhaust.«
    »Weißt du denn, wo der Laden ist?«
    »Nein, das ist das Problem«, erwiderte ich. »Gunnar meinte, es gäbe einen Verleih in Grim, aber die genaue Adresse habe ich nicht.«
    »Okay«, sagte Yngve. »Wir müssen ein Telefonbuch finden und in den Gelben Seiten nachschlagen. Weißt du, ob es hier irgendwo eine Telefonzelle gibt?
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Aber am Ende der Elvegaten liegt eine Tankstelle, da könnten wir es versuchen.«
    »Das trifft sich gut«, sagte Yngve. »Bevor ich heute Abend fahre, muss ich sowieso noch tanken.«
    Eine Minute später fuhren wir unter das Dach der Tankstelle. Yngve parkte neben der Zapfsäule, und während er tankte, ging ich in den Laden. Es gab ein Telefon an der Wand, unter dem drei Schuber mit Telefonbüchern hingen. Nachdem ich die Adresse des Verleihs gefunden und sie mir gemerkt hatte, ging ich zur Kasse, um ein Päckchen Tabak zu kaufen. Als ich näherkam, drehte sich der Mann, der vor mir in der Schlange stand, zu mir um.
    »Karl Ove ?«, sagte er. »Du bist hier?«
    Ich erkannte ihn. Wir waren zusammen auf dem Gymnasium gewesen. Sein Name fiel mir jedoch nicht mehr ein.
    »Hallo, lange nicht gesehen«, sagte ich. »Wie geht’s?«
    »Gut!«, antwortete er. »Und dir?«
    Der herzliche Ton überraschte mich. In der Zeit nach dem Abitur hatte ich zu Hause eine Fete gegeben, auf der er aggressiv geworden war und ein Loch in unsere Badezimmertür getreten hatte. Hinterher hatte er sich geweigert, für den Schaden aufzukommen, und ich konnte nichts dagegen tun. Ein anderes Mal war er der Fahrer eines Abiturientenbusses gewesen, auf dessen Dach ich saß, zusammen mit Björn, glaube ich, wir wollten zum Sport- und Vergnügungscenter, und plötzlich, auf dem Hügel hinter der Timenes-Kreuzung, beschleunigte er, so dass wir uns hinlegen und an den Dachstangen festhalten mussten, denn er fuhr mindestens siebzig, vielleicht auch achtzig, und lachte nur, als wir ankamen, selbst als wir ihn beschimpften.
    Warum war er jetzt also so freundlich?
    Ich begegnete seinem Blick. Das Gesicht war möglicherweise ein bisschen fleischiger geworden, ansonsten sah er aus wie früher. Seine Züge hatten jedoch etwas Erstarrtes, eine Art Unbeweglichkeit, die sein Lächeln eher verstärkte als lockerte.
    »Was machst du denn so?«, sagte ich.
    »Arbeite auf der Nordsee.«
    »Oh«, sagte ich. »Dann verdienst du also gut!«
    »Allerdings. Und ich habe viel Freizeit. Das gefällt mir. Und du?«
    Während er mit mir redete, sah er den Verkäufer an,

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