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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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wenig, damit die Hose leichter auszuziehen war. Als sie an den Knien hing, legte ich die Hand auf ihren Slip. Spürte die weichen Haare darunter. Karl Ove , sagte sie. Ich legte mich wieder auf sie, wir küssten uns, und während wir uns küssten, zog ich den Slip herunter, nicht viel, aber weit genug, um einen Finger hineinzubekommen, der über die Haare nach unten glitt, und als ich das Feuchte und Glatte an meiner Fingerspitze spürte, war es im selben Moment, als würde etwas in mir zerbersten. Ein Schmerz schoss in meinen Bauch, und Krämpfe durchzuckten meinen Unterleib. In der nächsten Sekunde war alles, worin ich mich befand, fremd. Vom einen Augenblick zum nächsten verloren die nackten Brüste und ihre nackten Schenkel jeglichen Sinn. Aber ich sah ihr an, dass sie es nicht so empfand, sie lag wie zuvor, mit geschlossenen Augen, halb geöffnetem Mund, schwer atmend, mitten in dem, worin ich kurz zuvor auch gewesen war, nun aber nicht mehr war.
    »Was ist?«, sagte sie.
    »Nichts«, antwortete ich. »Aber sollen wir vielleicht wieder zu den anderen gehen?«
    »Nein«, meinte sie. »Wir warten noch was.«
    »Okay«, sagte ich.
    Also machten wir weiter. Wir küssten uns, aber das löste in mir nichts mehr aus, ich hätte genauso gut eine Scheibe Brot abschneiden können, ich küsste ihre Brüste, es löste nichts aus, alles war eigenartig neutral, ihre Brustwarzen waren Brustwarzen, ihre Haut war Haut, der Nabel war ein Nabel, doch dann, zu meiner Verblüffung und Freude, verwandelte sich alles an ihr plötzlich wieder zurück. Und wieder gab es nichts, was ich lieber tun wollte, als dort zu liegen und alles zu küssen, was sich mir bot.
    Das war der Moment, in dem jemand an die Tür klopfte.
    Wir setzten uns auf, sie zog die Hose schnell hoch und den Pullover herunter.
    Es war Jan Vidar.
    »Kommt ihr?«, sagte er.
    »Ja«, antwortete Susanne. »Wir kommen gleich. Einen Moment noch.«
    »Es ist nämlich schon halb elf«, sagte er. »Mir wäre es ganz lieb, weg zu sein, wenn deine Eltern nach Hause kommen.«
    Während Jan Vidar seine Platten wieder in die Hüllen steckte und in die Plasiktüte legte, begegnete ich Susannes Blick und lächelte sie an. Als wir fertig angezogen im Flur standen und den Mädchen einen Abschiedskuss geben wollten, zwinkerte sie mir zu.
    »Bis morgen!«, sagte sie.
    Draußen nieselte es. Das Licht der Straßenlaternen, unter denen wir gingen, vereinte sich irgendwie mit jedem einzelnen der kleinen Wasserpartikel in großen, glorienartigen Kreisen.
    »Und?«, sagte ich. »Wie ist es gelaufen?«
    »Wie immer«, antwortete Jan Vidar. »Wir haben geknutscht. Ich weiß nicht, ob ich noch lange mit ihr zusammen sein will.«
    »Nein«, sagte ich. »Du bist ja auch nicht richtig verliebt.«
    »Bist du denn verliebt?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Vielleicht nicht.«
    Wir erreichten die Hauptstraße und folgten ihr das Tal hinauf. Auf der einen Seite lag ein Hof, die durchnässte Erde, die entlang der Straße im Licht glänzte, verschwand dahinter in der Dunkelheit und tauchte erst wieder an der Scheune auf, die hell erleuchtet war. Auf der anderen Seite standen am Fluss zwei alte Häuser mit Gärten.
    »Und wie ist es bei dir gelaufen?«, erkundigte sich Jan Vidar.
    »Ziemlich gut«, sagte ich. »Sie hat ihren Pullover ausgezogen.«
    »Was sagst du da? Ist das wahr?«
    Ich nickte.
    »Du lügst, du Arsch! Das hat sie nicht getan.«
    »Doch.«
    »Susanne doch nicht?«
    »Doch.«
    »Und was hast du dann gemacht?«
    »Ihre Brüste geküsst. Was denn sonst?«
    »Du Schwein. Das hast du nicht getan.«
    »Doch.«
    Ich hatte nicht das Herz, ihm zu erzählen, dass sie auch den Slip ausgezogen hatte. Wenn er bei Margarethe weitergekommen wäre, hätte ich es ihm gesagt. Aber da dies nicht der Fall gewesen war, wollte ich nicht überheblich wirken. Außerdem hätte er mir ohnehin nicht geglaubt. Nie im Leben.
    Ich konnte es selbst kaum glauben.
    »Und wie waren sie?«, sagte er.
    »Was?«
    »Na, ihre Brüste!«
    »Sie waren schön. Nicht zu klein und fest. Obwohl sie lag, standen sie hoch.«
    »Du dreckiges Arschloch. Das ist nicht wahr.«
    »Doch, verdammt.«
    »Verdammt.«
    Daraufhin schwiegen wir eine ganze Weile. Gingen über die Hängebrücke, wo der Fluss, so glänzend und schwarz, lautlos anschwoll, über das Erdbeerfeld und auf die asphaltierte Straße, die nach einer scharfen Kurve einen steilen Engpass hinaufführte, in dem sich die schwarzen Fichten über sie neigten, und dann, nach zwei

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