Sterben: Roman (German Edition)
Verwaltung, so dass uns entweder durch ihn oder durch William, dessen Vater Lkw-Fahrer in der Fabrik war, die erlösende Nachricht erreichte: Es gibt Arbeit. An einem solchen Abend kamen die drei Mädchen zu uns in die Halle. Auch sie wohnten in Hamresanden. Diesmal war ich vorgewarnt, denn es ging das Gerücht, eins der Mädchen in der siebten Klasse sei an mir interessiert, und nun stand sie also hier, um einiges freimütiger als die beiden hühnerhaften Mädchen im Schilf, denn Line, wie sie hieß, kam geradewegs auf mich zu, legte die Arme auf den Rahmen um die Palette, stand vor mir, kaute selbstsicher auf einem Kaugummi und beobachtete mein Tun, während ihre beiden Freundinnen im Hintergrund blieben. Als mir zu Ohren gekommen war, dass sie sich für mich interessierte, hatte ich überlegt, dass ich zuschlagen musste, denn auch wenn sie erst in die siebte Klasse ging, war ihre Schwester doch ein Fotomodell, und auch wenn sie selbst noch nicht so weit war, würde sie doch sicher bald gut aussehen. Alle sagten über sie, dass sie in naher Zukunft gut aussehen würde, alle priesen ihr Potenzial. Sie war schlank und hatte lange Beine und lange, dunkle Haare, war blass, hatte hohe Wangenknochen und einen unverhältnismäßig großen Mund. Dieses Langgliedrige, leicht Baumelnde und Käferartige an ihr machte mich skeptisch. Aber ihre Hüften waren hübsch, genau wie der Mund und die Augen. Es sprach auch noch gegen sie, dass sie kein R sprechen konnte und etwas leicht Dümmliches oder Schwerfälliges an sich hatte. Dafür war sie bekannt. Gleichzeitig war sie in ihrer Klasse beliebt, die anderen Mädchen waren gern mit ihr zusammen.
»Hallo«, sagte sie. »Ich komme dich besuchen. Freust du dich?«
»Das sehe ich«, erwiderte ich, wandte mich zur Seite, legte mir einen Stapel Bretter auf den Unterarm, warf sie in den Rahmen, wo sie sich hübsch anordneten, schob die herausstehenden Enden hinein und griff nach einem neuen Stapel.
»Wie viel verdient ihr denn hier in der Stunde?«, sagte sie.
»Wir arbeiten im Akkord«, antwortete ich. »Wir bekommen zwanzig Kronen für einen Stapel mit zwei, vierzig für einen mit vier Lagen.«
»Aha«, sagte sie.
Per und Trygve, die in ihre Parallelklasse gingen und sich wiederholt abfällig über sie und ihre Clique geäußert hatten, standen ein paar Meter entfernt und arbeiteten. Mir schoss durch den Kopf, dass sie wie Zwerge aussahen. Kleinwüchsig, gebückt, verbissen standen sie inmitten dieser riesigen Halle voller Paletten an allen Seiten, die bis zur Decke gingen, und arbeiteten.
»Magst du mich?«, sagte sie.
»Was heißt hier mögen?«, erwiderte ich. Als ich sie zur Tür hatte hereinkommen sehen, hatte ich im selben Moment beschlossen, mich auf sie einzulassen, aber jetzt, als sie vor mir stand und der Weg frei war, schaffte ich es trotzdem nicht, ihn einzuschlagen, schaffte ich es trotzdem nicht, das Notwendige zu tun. Sie war in einer Weise, die ich nicht wirklich verstand, aber dennoch spürte, weitaus kultivierter als ich. Okay, ein bisschen dumm war sie möglicherweise auch, aber sie war kultiviert. Und mit dieser kultivierten Art von ihr konnte ich nicht umgehen.
»Ich mag dich«, sagte sie. »Aber das hast du sicher schon gehört.«
Ich bückte mich, rückte eine der Latten gerade und lief völlig unerwartet rot an.
»Nein«, erwiderte ich.
Daraufhin sagte sie eine Weile nichts mehr, hing nur über den Rahmen gebeugt und kaute Kaugummi. Ihre Freundinnen neben dem Bretterstapel wirkten ungeduldig. Schließlich richtete sie sich auf.
»Na, dann eben nicht«, sagte sie, drehte sich um und ging.
Dass ich meine Chance vertan hatte, war halb so wild, schlimmer fand ich, wie es geschehen war, dass ich mich unfähig gezeigt hatte, das letzte Stück des Wegs zu gehen, diese letzte Brücke zu überqueren. Und als sich das Interesse an mir als etwas Neuem gelegt hatte, wurde mir nichts mehr geschenkt. Im Gegenteil, die alten Urteile über mich schlichen sich langsam wieder ein. Ich ahnte, dass sie in der Nähe waren, hörte ihren Nachhall, obwohl es keinen Kontakt zwischen den beiden Orten gab, an denen ich gewohnt hatte. Schon seit dem ersten Schultag hatte ich ein ganz bestimmtes Mädchen im Auge, sie hieß Inger, hatte schmale, schöne Augen, einen dunklen Teint und eine kindlich kleine Nase, die sich von den ansonsten langen, abgerundeten Zügen ihres Gesichts absetzte, und strahlte Unnahbarkeit aus, es sei denn, sie lächelte. Sie hatte ein befreiendes und
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