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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Kehren auf der Kammhöhe, an unserem Haus vorbeilief. Alles war dunkel und schwer und nass, außer dem Wissen um das Geschehene, das alles durchschnitt und meine Gedanken perlend ins Licht hob. Jan Vidar hatte sich mit meiner Erklärung zufriedengegeben, und in mir brannte die Lust, ihm zu erzählen, dass ihre Brüste nicht alles gewesen waren, dass noch mehr passiert war, aber als ich seine finstere Miene sah, hielt ich mich zurück. Andererseits war es auch schön, dass Susanne und ich auf die Art ein gemeinsames Geheimnis hatten. Gleichzeitig beunruhigten mich diese Krämpfe. Ich hatte kaum Haare auf dem Schwanz, nur ein paar lange, schwarze, ansonsten war dort vor allem Flaum, und es gehörte zu den Dingen, die ich fürchtete, dass dies den Mädchen und natürlich vor allem Susanne zu Ohren kommen könnte. Ich wusste, dass ich erst mit jemandem schlafen konnte, wenn genügend Haare da waren, weshalb ich die Krämpfe als eine Art falschen Samenerguss deutete, dass ich mehr getan hatte und weiter gegangen war, als mein Pimmel eigentlich erlaubte. Deshalb hatte es wehgetan. Ich hatte eine Art »trockenen« Erguss gehabt. Soweit ich wusste, konnte dies gefährlich sein. Andererseits war meine Unterhose nass. Das mochte zwar Pisse sein, aber es konnte auch Sperma sein. Vielleicht sogar Blut? Die beiden letzteren Möglichkeiten erschienen mir unwahrscheinlich, da ich ja nicht geschlechtsreif war, und von Bauchschmerzen hatte ich bis zu dem Augenblick nichts gemerkt. Aber wehgetan hatte es, und das beunruhigte mich.
    Jan Vidar hatte sein Fahrrad vor der Garage abgestellt, und wir blieben dort stehen und unterhielten uns noch ein bisschen, bis er nach Hause fuhr und ich hineinging. Yngve war an dem Wochenende zu Hause, ich sah durchs Fenster, dass er mit meiner Mutter in der Küche saß. Vater war bestimmt in seiner Wohnung in der Scheune. Nachdem ich Jacke und Schuhe ausgezogen hatte, ging ich auf die Toilette, schloss die Tür ab, zog meine Hose bis zu den Knien hinunter, hob den Saum der Unterhose an und steckte den Zeigefinger in den feuchten Stoff. Er war klebrig. Ich hob den Finger hoch und rieb ihn am Daumen. Glänzend und klebrig. Er roch nach Meer.
    Meer?
    Musste das nicht Sperma sein?
    Natürlich war das Sperma.
    Ich war geschlechtsreif.
    Innerlich jubelnd ging ich in die Küche.
    »Möchtest du Pizza? Wir haben ein paar Stücke für dich aufgehoben«, sagte Mutter.
    »Nein, danke. Wir haben da gegessen.«
    »War es schön?«
    »Ja«, sagte ich und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.
    »Er wird ja ganz rot«, sagte Yngve. »Was meinst du, vor Glück?«
    »Du kannst sie ja mal zu uns einladen«, schlug Mutter vor.
    »Mache ich«, erwiderte ich und lächelte einfach weiter.
    Zwei Wochen später endete meine Beziehung zu Susanne. Mit Lars, meinem besten Freund auf der Insel Tromøya, hatte ich vor langer Zeit abgesprochen, Bilder von den hübschesten Mädchen dort mit Bildern von den hübschesten Mädchen hier zu tauschen. Fragt mich nicht, warum. Ich hatte die Sache völlig vergessen, als ich eines Nachmittags einen Umschlag mit Bildern in der Post fand. Passfotos von Lene, Beate, Ellen, Siv, Bente, Marianne, Anne Lisbet und wie sie alle hießen. Das waren die hübschesten Mädchen auf Tromøya. Nun galt es für mich, Bilder von den hübschesten Mädchen in Tveit zu besorgen. Tagelang diskutierte ich die Frage mit Jan Vidar und erstellte eine Liste, anschließend mussten die Fotos besorgt werden. Manche konnte ich direkt fragen, zum Beispiel Susann, die Freundin von Jan Vidars Schwester, die so alt war, dass es mich nicht kümmern musste, was sie dachte, bei anderen brachte ich Jan Vidar dazu, Freundinnen nach Bildern von ihnen zu fragen. Mir selbst waren die Hände gebunden, denn nach einer Aufnahme zu fragen, hätte geheißen, Interesse an ihnen zu zeigen, und da ich mit Susanne zusammen war, wäre ein solches Interesse so unpassend gewesen, dass es sich möglicherweise herumgesprochen hätte. Aber es gab andere Wege. Per, zum Beispiel, hatte er vielleicht Bilder von Kristin, mit der er in eine Klasse ging? Die hatte er, und auf die Art hatte ich am Ende sechs Bilder zusammengekratzt. Zahlenmäßig reichte das, aber das eigentliche Prachtstück, die schönste von allen, Inger, die ich Lars wirklich zu gerne zeigen wollte, fehlte noch. Und Inger war eine Cousine von Susanne …
    Eines Nachmittags holte ich das Fahrrad aus der Garage und fuhr zu Susanne. Wir waren nicht verabredet, und sie schien sich zu

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