Sterben: Roman (German Edition)
dich.«
»Nein.«
Sie seufzte.
»Nein, es ist nicht immer leicht. Aber du siehst gut aus. Du scheinst glücklich zu sein.«
»Ich bin noch nie so glücklich gewesen. Nie.«
Aus irgendeinem irrwitzigen Grund traten mir bei diesen Worten Tränen in die Augen. Sie glänzten nicht nur wie eigentlich immer, wenn ich etwas sagte, was mich wirklich anging, nein, mir liefen Tränen die Wangen hinunter.
Ich lächelte.
»Das sind Freudentränen«, erklärte ich. Dann schluchzte ich. Am Ende liefen die Tränen so, dass ich mich abwenden musste. Glücklicherweise kochte gerade das Kaffeewasser, und ich konnte den Kessel vom Herd nehmen und Kaffeepulver hineingeben, den Deckel wieder auf die Öffnung pressen, mit dem Kessel mehrmals auf die Herdplatte klopfen, zwei Tassen herausholen.
Als ich sie auf den Tisch stellte, ging es schon wieder.
Ein halbes Jahr später, an einem Abend Ende Juli, stieg ich an der Haltestelle unten am Wasserfall aus dem letzten Bus. Über meine Schulter hatte ich einen Seesack geworfen; ich war auf einem Trainingslager in Dänemark und gleich danach im Anschluss auf einer Klassenfete in den Schären gewesen. Ich war glücklich. Es war ein paar Minuten nach halb elf, und was an Dunkelheit existierte, hatte sich herabgesenkt und lag wie ein gräulicher Schleier über der Landschaft. Unter mir toste der Wasserfall. Ich ging den Anstieg hinauf und die Straße entlang, die von Randsteinen gesäumt wurde. Unterhalb der Straße fiel die Wiese zu einer Reihe von Laubbäumen hin ab, die am Flussufer wuchsen. Oberhalb lag der alte Hof, dessen Scheune in Richtung Straße verfallen gähnte. Im Wohnhaus brannte kein Licht. Ich passierte die Kurve, in der das nächste Haus lag, der alte Mann, der hier wohnte, saß im Wohnzimmer und sah fern. Am anderen Flussufer näherte sich ein Sattelschlepper. Das Geräusch erreichte mich mit Verzögerung, ich hörte ihn erst, als er schon oben war. Über den Baumwipfeln, vor dem blassen Himmel, flatterten zwei Fledermäuse, und ich musste an den Dachs denken, dem ich häufig begegnete, wenn ich mit dem letzten Bus heimfuhr. Er kam regelmäßig dem Bachlauf folgend zur Straße herunter, wenn ich hochging. Sicherheitshalber hielt ich immer einen Stein in jeder Hand. Ab und zu begegnete ich ihm auch auf der Straße, dann blieb er stehen und sah mich an, um anschließend auf seine charakteristisch watschelnde Art zurückzulaufen.
Ich blieb stehen, warf den Sack ab, setzte einen Fuß auf den Randstein und zündete mir eine Zigarette an. Es drängte mich nicht nach Hause, ich wollte es noch ein paar Minuten hinauszögern. Mutter, mit der ich hier oben das ganze Frühjahr und den halben Sommer gewohnt hatte, war zur Zeit in Sørbøvåg. Sie hatte Vater seinen Anteil an dem Haus noch nicht abgekauft, und er hatte auf sein Wohnrecht gepocht und würde bis zum Schulbeginn mit seiner neuen Freundin Unni darin wohnen.
Über dem Wald näherte sich ein großes Flugzeug, es flog langsam einen Bogen und zog kurz darauf wieder nach oben und rauschte über mich hinweg. Die Lichter an den Spitzen der Tragflächen blinkten, und darunter wurde das Fahrgestell ausgefahren. Ich sah der Maschine hinterher, bis sie außer Sichtweite war und nur das immer schwächer werdende Grollen zurückblieb, bis auch es unmittelbar vor dem Aufsetzen des Flugzeugs auf Kjevik verschwand. Ich mochte Flugzeuge, hatte sie immer gemocht. Selbst nach drei Jahren mitten in der Einflugschneise blickte ich mit Freude zu ihnen hoch.
Der Fluss glitzerte in der sommerlichen Dunkelheit. Der Rauch meiner Zigarette stieg nicht auf, sondern trieb seitlich und hing wie eine Scheibe in der Luft. Kein Windhauch nirgendwo. Und nachdem der Fluglärm verebbt war, kein Laut. Oder doch: von den Fledermäusen, die aufstiegen und herabstießen, je nachdem, wohin sie ihr flackernder Flug führte.
Ich steckte die Zunge heraus und drückte die Zigarette auf ihr aus, schmiss sie die Böschung hinunter, schwang mir den Seesack auf den Rücken und ging weiter. In Williams Haus brannte Licht. In der folgenden Kurve waren die Kronen der Laubbäume so dicht, dass man vom Himmel nichts sah. Ein paar Frösche oder Kröten ließen sich im sumpfigen Gelände zwischen Straße und Fluss vernehmen. Dann nahm ich am Fuß des Hügels eine Bewegung wahr. Es war der Dachs. Er hatte mich nicht entdeckt, lief vielmehr langsam über den Asphalt. Ich machte ein paar Schritte zum anderen Straßenrand, um ihm so den Weg freizumachen, doch in dem Moment
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