Sterbliche Hüllen: Thriller (German Edition)
ihrem Stuhl. »Ich weiß es nicht. Ich fürchte, die verantwortliche Ermittlerin verdächtigt ihre Tochter Star. Aber soweit ich sehe, gibt es dafür wenig Anhaltspunkte. Allerdings …«
»Allerdings was?«
»Sie haben die Pistole gefunden – oder zumindest das, was sie für die Tatwaffe halten.«
Diane spürte, dass es da noch mehr gab. Sie langte nach seiner Hand. »Und?«
»Sie glauben, es sei Louises Pistole. George hat sie ihr vor einigen Jahren gekauft. Einer der Polizisten am Tatort meinte sie wieder zu erkennen, da er Louise damit Schießunterricht erteilt hat. Letztes Jahr hat sie dann Star geklaut, um zusammen mit ihrem Freund im Freien herumzuballern. Als George das herausfand, nahm er sie ihr ab, schloss sie weg, und Star bekam Hausarrest.«
»Glaubst du, dass ihre Tochter das getan haben könnte?«
»Sie war immer ein schwieriges Kind. Nun, das ist noch freundlich ausgedrückt. Als Star vierzehn wurde, wurde aus einem süßen kleinen Mädchen ein rebellisches Gör.« Er nahm einen Schluck Kaffee. »Aber irgendwie geht das nicht auf. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie ihre Eltern getötet haben soll, und schon gar nicht Jay.«
»Wenn sie Drogen nimmt … das ändert alles.«
»Ich weiß, aber ihren kleinen Bruder? Das glaube ich einfach nicht. Sie liebte ihn abgöttisch. Diese Kommissarin macht es sich da etwas zu leicht.«
»Was ist mit ihrem Freund?«
»Sie suchen nach ihm. Er war schon seit Wochen nicht mehr daheim. Seine Eltern wissen nicht, wo er ist. Im Augenblick finde ich es ziemlich frustrierend, zur Polizei von Atlanta zu gehören. Ich habe hier nicht die geringsten Befugnisse, obwohl ich in Rosewood lebe. Die Leute vom Morddezernat haben mich neulich sogar im Spaß als ›Papppolizisten‹ bezeichnet.«
»Oh.« Sie verstand, dass ihn das kränkte. »Was ist mit dem Knochen?«
»Sie halten ihn nicht für wichtig, besonders jetzt, wo sie wissen, dass ihn George irgendwo im Gebüsch gefunden hat. Er könnte von überall her stammen. Star gibt da sehr viel mehr her.«
»Auch ein einzelner Knochen ist Teil eines ganzen Körpers. Es ist schon ein seltsamer Zufall, dass sie einige Tage, bevor sie selbst getötet werden, einen menschlichen Knochen finden. Also ich halte das für wichtig.«
»Und …« Er stoppte abrupt, blickte sie an, runzelte die Stirn und schaute dann zu Boden.
»Und was?«
»Ich weiß nicht recht. Aus irgendeinem Grund glauben sie dir nicht.«
»Das ist doch nicht dein Ernst. In diesem Fall musst du dir eben einen anderen Osteologen suchen, der den Knochen begutachtet.«
»Könntest du mir nicht ein kurzes Gutachten schreiben? Bitte? In der Zwischenzeit schicke ich ein Foto von dem Knochen an ein paar andere forensische Anthropologen. Können die ihn überhaupt anhand eines Fotos identifizieren?«
Diane nickte.
»Wenn Detective Warrick diese Informationen nicht haben will, kann ich sie zumindest Stars Anwalt übergeben, wenn sie sie finden.«
»Bring mir den Knochen, und ich schreibe ein Gutachten.«
Das Museum wirkte heute groß und leer, nachdem es am Abend zuvor voller Menschen gewesen war. Diane war froh, dass die Party vorbei war. Sie ging durch alle Räume und überprüfte jedes Ausstellungsstück auf irgendwelche Schäden oder vergessene Punschgläser. Die Reinigungsmannschaft hatte gründliche Arbeit geleistet. Jetzt war es Zeit, die eigentliche Aufgabe anzugehen: das neu eingerichtete Museum auf den Ansturm der Öffentlichkeit vorzubereiten. Der Gedanke daran wirkte auf sie ungeheuer erhebend. Sie fühlte sich gut. Neuer Job, neue Kleidung. Unbewusst glättete sie die Vorderseite ihres Marine-Blazers. Kurzzeitig ging ihr der Gedanke durch den Kopf, ob sie nicht eher wie jemand wirkte, der gewohnt war, Jeans und T-Shirts zu tragen und nicht Hosenanzug und Seidenhemd wie an diesem Tag.
Langsam trafen die Mitarbeiter ein, und Diane bereitete sich auf einen langen Tag vor. Einige Dozenten der Bartrum-Universität sollten heute die für sie bestimmten Büros im Museum beziehen. Ihre Uhr zeigte erst 9 Uhr 15 an. Da es jetzt noch relativ ruhig war, konnte sie sich erst einmal eine halbe Stunde lang ihrer Verwaltungsarbeit widmen. Auf dem Weg in ihr Büro begegnete ihr Andie, die ein Notizbuch und einen Kugelschreiber in der Hand hielt.
»Klasse Party, oder?«, sagte Andie.
»Kann man sagen. Die meisten schienen zufrieden zu sein. Na ja, sie haben es ja auch bezahlt. Wann sind Sie ins Bett gekommen?« Diane schloss ihre Bürotür auf.
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