Sterbliche Hüllen: Thriller (German Edition)
unser physischer Anthropologe hat ein Problem damit, dass Sie auf diese Stelle berufen wurden.«
»Was für ein Problem? Ich kenne ihn nicht einmal.«
»Meine Liebe, man sieht, dass Sie mit den subtilen Gedankengängen eines gestandenen Akademikers überhaupt nicht vertraut sind. Sie sind eine forensische Anthropologin. Sie forschen nicht, Sie wenden Forschung an, das heißt, Sie sind nur eine einfache technische Hilfskraft in der hohen Kunst der Knochenstudien. Deshalb besitzen Sie auch nicht die Qualifikationen, die für Ihren jetzigen Posten eigentlich nötig wären.«
»Ich verstehe.«
»Willard hat deshalb jedem davon abgeraten, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Schließlich fand Julie die Idee gut, hier ein Extrabüro zu kriegen. Aber dann hat man sie an eine Hochschule in einem anderen Bundesstaat berufen. Sie wollten keinen Ersatz schicken, bis ich mich dazu bereit erklärte, hierher zu kommen. Sie stimmten sofort zu, und deshalb bin ich jetzt hier. Sie waren froh, so einen alten Emeritus loszuwerden. Sie mögen alte Dinge lieben, aber alte Fakultätsmitglieder gehören nicht dazu.«
»Ich glaube fast, die Geologiefakultät sieht das Ganze ähnlich.« Dianes Augen funkelten vergnügt.
»Nun, wir werden auch ohne sie viel Spaß haben.«
Diane stand auf und ging zur Tür. »Sie spielen Schach, wie ich sehe.« Sie nickte in Richtung des Schachbretts.
»Ein wenig. Ich bin nicht sehr gut, aber ich hatte gehofft, ich könnte hier jemanden ab und zu zu einem kleinen Spielchen verführen.«
Sie ging hinüber zum Brett und zog den weißen Bauern auf e4, bevor sie das Zimmer verließ.
18
A ls Diane wieder ins Labor kam, waren die beiden Polizisten gerade dabei zu gehen. Aus den grimmigen Mienen der Konservierungsmannschaft konnte man schließen, dass diese mit der Arbeit der Strafverfolger nicht besonders zufrieden war.
Izzy Wallace wandte sich an Diane. »Da können wir wirklich nicht viel tun. Wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt. Sie sind mit einem Schlüssel hineingelangt, haben nichts mitgenommen und haben eigentlich auch kaum etwas durcheinander gebracht.« Sein Blick wanderte von einem Assistenten hinüber zu Diane. »Sinnlos, hier nach Fingerabdrücken zu suchen. Mit denen könnten wir nicht viel anfangen. Es war wahrscheinlich jemand, der hier arbeitet und dessen Abdrücke sowieso überall zu finden sind.«
Diane verschränkte die Arme und schaute ihn einen Moment prüfend an. Sie fragte sich, ob er etwas mit den Fehlinformationen des Bürgermeisters zu tun haben könnte. »Ist schon recht, Officer Wallace. Wir haben auch nicht allzu viel erwartet, aber wir wollten es zumindest melden. Es könnte ja sein, dass dies noch einmal passiert und sie dann etwas mitnehmen.«
»Es tut uns wirklich Leid, Madam«, meldete sich der andere Polizist, »aber es bringt nichts, die Sache weiterzuverfolgen. Der Staatsanwalt würde das Verfahren einfach einstellen.«
»Vielen Dank für Ihr Kommen.«
Zwei oder drei Sekunden schaute Izzy Diane prüfend in die Augen. »Ist der Bürgermeister noch unten?«, fragte er schließlich.
»Wahrscheinlich.«
Er nickte. »Dann gehen wir jetzt.«
Kaum waren sie aus der Tür, begannen die anwesenden Museumsmitarbeiter, sich zu beklagen.
»Sie haben kaum etwas unternommen. Sie haben uns sogar quasi unterstellt, selbst diese Unordnung verursacht zu haben.«
»Ich sage den Nachtwächtern, dass sie dieses Labor im Auge behalten sollen. Ich würde mir an Ihrer Stelle nicht zu viele Sorgen machen.« Diane überließ das grollende Konservatorenteam sich selbst und ging die Treppe hinunter in ihr Büro.
Auf dem Schreibtisch lag eine Notiz von Andie, sie solle Frank anrufen. Sie hob den Hörer ab und wählte seine Nummer.
»Diane, ich habe den Autopsiebericht. Es wird einige Zeit dauern, bis ich die Blutproben analysiert bekomme, die du gesammelt hast. Ist es in Ordnung, wenn ich nach Feierabend ins Museum komme und wir über alles reden? Ich bringe etwas Italienisches mit.«
»Klingt gut. Wenn das Restaurant schon eröffnet wäre, würde ich dich zum Essen ins Museum einladen.«
»Ihr habt ein Restaurant?«
»Es öffnet erst in einigen Wochen. Ich sehe dich gegen halb sieben.«
Diane holte ihren Laptop und den Speicherstift ihrer Digitalkamera. Nachdem sie die Fotos vom Tatort ausgedruckt hatte, rief sie ein Programm auf, das sie schon eine ganze Weile nicht mehr benutzt hatte. Mit ihm konnte man Richtungskurven ausrechnen und nach Eingabe der entsprechenden Daten ein
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