Sterbliche Hüllen: Thriller (German Edition)
Ganz diskret natürlich.«
»Sie sollten nicht zu viel Zeit investieren, aber wenn es sich ergäbe …«
»Geht klar. Das mit Ihrer Tochter tut mir wirklich Leid. Das ist so traurig.«
»Ich hoffte, ich könnte sie hier aufziehen und sie gelegentlich ins Museum mitnehmen. Ich dachte schon daran, Milo zu fragen, ob wir nicht eine Kindertagesstätte für unsere Mitarbeiter einrichten könnten.« Sie versuchte, nicht mehr an diese verlorenen Möglichkeiten zu denken. »Deswegen habe ich die forensische Arbeit aufgegeben. Ich konnte diese Tätigkeit einfach nicht mehr ertragen. Und jetzt muss ich doch wieder damit anfangen, um Frank und der Tochter seines Freundes zu helfen.« Sie erzählte Andie von der Abfallgrube voller Tierknochen, in dem sie den menschlichen Talus gefunden hatte.
»Sie machen Witze. Sie haben tatsächlich den Ort gefunden, wo dieses Schlüsselbein herkommt? Was war der andere Knochen, von dem Sie gesprochen haben? Ein Talus?«
»Ja. Das ist das Sprungbein, ein Fußwurzelknochen. Darauf sitzt die Tibia, das Schienbein. Dazwischen gibt es eine gelenkartige Struktur, die es Ihnen erlaubt, Ihren Fuß vor und zurück zu bewegen. Man nennt den Talus manchmal auch Astragalus.«
Andie drehte ihren Stuhl herum, um zu beobachten, wie es aussah, wenn sie ihren Fuß auf und ab bewegte. »Also, Sie glauben, Sie haben diesen Burschen tatsächlich gefunden?«
»Wahrscheinlich ist er es. Ich werde dort Ausgrabungen anstellen. Jonas Briggs und Sylvia Mercer werden mir dabei helfen.«
»Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass er ein netter Kerl ist?«
»Ja, haben Sie, und Sie hatten Recht. In den nächsten Tagen oder sogar Wochen werde ich häufig nicht im Haus sein. Wenn nötig, können Sie mich aber jederzeit übers Handy erreichen.«
»In Ordnung. Darf ich auch einmal hinkommen und zusehen?«
»Der ganze Prozess verläuft sehr langsam. Zuschauen ist wahrscheinlich ziemlich langweilig.«
»Ich möchte es trotzdem mal sehen.«
»Klar. Wenn wir einen großen Teil ausgegraben haben, können Sie ja mal vorbeikommen. Könnten Sie mir in der Zwischenzeit einen Tisch in …« – Diane dachte einen Moment nach – »den Raum gegenüber der Dozentenbüros stellen lassen? Der steht doch noch leer, nicht wahr?«
Andie nickte. »Wir haben dort vielleicht ein paar Sachen abgestellt, aber nicht viele. Sie brauchen einen Platz zum Arbeiten?«
»Ja. Mir fällt noch etwas Besseres ein: Kennen Sie den Eckraum im Westflügel des zweiten Stocks? Der ist richtig schön abgelegen. Lassen Sie mir bitte ein paar Möbel reinstellen. Und erwähnen Sie das gegenüber niemandem. Morgen früh werde ich nicht da sein. Ich bin auf der Abercrombie-Farm und fange mit den Ausgrabungen an.«
24
W hit Abercrombie hatte mit Hilfe der Leute von der Straßenmeisterei des Countys an der Stelle, wo man am leichtesten in die Schlucht hinuntersteigen konnte, eine kleine Fußgängerbrücke über den Bach gebaut. Sie hatten den schmalen Pfad, der quer durch die Schlucht führte, verbreitert und alle paar Meter Trittsteine verlegt. Jetzt konnte man die Autos mit der für die Ausgrabung notwendigen Ausrüstung auf dem Fahrweg parken, der zu Luther Abercrombies Viehweide führte, sie dort ausladen und die Gerätschaften dann zu Fuß durch die Schlucht zur Abfallstätte tragen. Whit hatte sogar den Zugangsweg zum Rande der Schlucht mit einem Traktormäher gangbarer gemacht.
Es war noch ziemlich früh, aber Diane und ihre Crew hatten bereits ein Zelt aufgebaut, das als Feldbüro dienen sollte, und die Kameras, die Kartierausrüstung, die Grabungswerkzeuge und die anderen notwendigen Gerätschaften inventarisiert. Trotzdem hatte die Sonne von Georgia die Luft bereits auf über 30 °C aufgeheizt. Es würde im Laufe des Tages noch viel heißer werden. Und leider gab es in der Umgebung der alten Abfallstätte nur junge Bäume, die kaum Schatten spendeten.
Zu Dianes Erleichterung waren Jonas’ frühere Studenten erfahrene Ausgräber, so wie er es versprochen hatte. Sie hatten sogar drei Leute mehr mitgebracht als die versprochenen vier, sodass die Truppe jetzt aus vier Männern und drei Frauen bestand. Alle trugen abgeschnittene Jeans, T-Shirts und Turnschuhe. Eine der Frauen arbeitete an der Entwicklung von Modellen für taphonomische Prozesse. Die Taphonomie untersucht, was mit menschlichen und tierischen Organismen nach dem Tod geschieht, beobachtet also deren Verwesung und Fossilisierung. Archäologen gewinnen dadurch Hinweise auf das Leben und
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