Stern auf Nullkurs (1979)
wohl noch unwillig über die Störung, doch als man sie erkennt, winkt einer der Biologen sie heran.
„Ihr kommt genau zur rechten Zeit." Der Mann deutet auf einen Wandschrank. „Setzt Brillen auf. Das UV-Licht..." Er unterbricht sich und tastet mit den behandschuhten Fingern vorsichtig über eine Stelle am unteren Sektor der Kugelhülle.
„Tretet näher!" ruft er. Auch der Umweg über die Funkbrücke kann der Stimme die Erregung nicht nehmen. „Hier geschieht etwas!"
Direkt unter den toten Augen hat sich die glasig durchsichtige Wand eingetrübt. Jetzt erst bemerkt Kalo, daß sich auch die Augen in der Zwischenzeit mit einer mattgrauen Schicht überzogen haben. Nur ganz kurz blickt er nach oben, dann konzentriert er sich schnell wieder auf die getrübte Fläche.
Es ist deutlich zu sehen, daß sich mit der optischen Veränderung auch die Konsistenz in der Hülle gewandelt hat. Sie scheint weicher geworden zu sein, sich zu verformen, auszubeulen. Und dann beginnt sie unter dem Einfluß der künstlichen Gravitation zu fließen. Sekunden noch, und aus der Kugelwandung löst sich ein formloses Stück und fällt zu Boden. Es gibt ein klatschendes Geräusch.
Kalo sieht mit geheimem Ekel, wie sich die Biologen vor die entstandene Öffnung hocken, wie sie mit Skalpellen und Pinzetten hantieren. Schließlich fördern sie eine Art Nervenbündel zutage, das jedoch auch schon in Zerfall übergegangen ist.
„Nichts für feinfühlige Naturen, was?" Einer der Biologen schiebt sich zwischen sie und die Kugel, als wolle er Pela und Kalo mit seinem schmächtigen Körper abschirmen. „Ihr seid blaß geworden. Ich mache euch einen Vorschlag: Wir treffen uns in ungefähr zwei Stunden in der Kantine. Dann erfahrt ihr von mir alles, was wir bis dahin wissen. Einverstanden?"
Kalo nickt. „Einverstanden. Nichts lieber als das." Auch Pela stimmt zu.
„Erkundigt euch nur nach Morten Antes", sagt der kleine Biologe.
„Mich kennt hier jeder. Und nun guten Appetit." Er schiebt sie freundlich, aber bestimmt zur Tür. Kalo ist überzeugt, daß ihm das Fragwürdige seines Wunsches überhaupt nicht bewußt ist.
Genau zwei Stunden später betritt Morten Antes die Kantine. Er bleibt in der Tür stehen und blickt sich um. Die gespannten Mienen der anderen ignoriert er, er sucht Pela und Kalo. Als er sie endlich entdeckt, verzieht er das Gesicht zu einem breiten Grinsen. Mit gewollt forschen Schritten kommt er an den Tisch und setzt sich.
„Ihr wartet schon mehr als eine Stunde. Habe ich recht? Wollt unbedingt erfahren, was ihr da gefunden habt." Er zuckt bedauernd die Schultern. „Viel Neues gibt es nicht. Wir tappen nach wie vor im Dunkeln. Die Konstruktion dieses Wesens kennen wir jetzt, seinen Aufbau haben wir ermittelt, aber wir wissen nicht, was es war."
„Eine fremde Intelligenz?" fragt Pela.
Antes wiegt den mächtigen Schädel hin und her. „Sicher nicht", sagt er bestimmt.
„Aber die Augen..."
„Jedes einigermaßen hoch organisierte Tier der Erde hat Augen. Das ist kein Kriterium."
„Es könnte aber sein. Diese Augen..."
Wieder das Schulterzucken. „Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand unserer Wissenschaft ist intelligentes Leben dem unseren zumindest ähnlich. Man muß mit einem komplexen Sinneszentrum und mit bestimmten Extremitäten rechnen. Das alles hat dieses Ding nicht."
„Wir sollten systematisch vorgehen", schlägt Kalo vor.
„Richtig", erwidert Antes. „Ich muß ein wenig weiter zurückgreifen. Wir wissen, daß es sich um ehemals lebende Materie handelt. Wir haben ein Wesen vor uns, das sich aus Zellen zusammensetzt, wie wir auch. Und diese Zellen besitzen einen ähnlichen Aufbau wie die unseren, mit Zellkern, Plasma und Chromosomen, die den Bauplan des Organismus beinhalten. Alles wie bei uns. Nur ist eben der Bauplan ganz anders. Die Sequenzen stimmen nicht mit den irdischen überein, sie..."
„Das war nicht anders zu erwarten", unterbricht ihn Kalo. „Wir mußten damit rechnen, daß es sich um völlig andere Kombinationen handelt."
Der kleine Biologe lächelt nachsichtig. „So kann man es auch formulieren. Obwohl..." Er überlegt lange. „Paßt auf!" sagt er schließlich. „Der Bauplan des Lebens auf der Erde setzt sich aus einer Reihe von Sequenzen zusammen, die aus verschiedenen Säuren gebildet werden und die sich im Grunde gleichen."
„Das ist uns bekannt."
„Ausgezeichnet!" Antes zieht die Augenbraunen hoch. Seine Stimme klingt sarkastisch. „Wir wissen
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