Stern der Leidenschaft
einsehen, dass man nicht darauf aus war, sie innerhalb eines knapp bemessenen, vorgegebenen Zeitraumes von der tatsächlichen Existenz des Raumschiffes und seiner außerirdischen Passagiere zu überzeugen. Offensichtlich gab es dafür kein Zeitlimit. Vielleicht war es ja auch ein Ziel des Experimentes, herauszufinden, wie lange es dauern würde, bis sie schließlich alles glaubte oder einfach zusammenbrach. Brittany betrachtete sich als eine Art Testperson in einem Probedurchlauf. An ihr wollte man untersuchen, wie lange ein Durchschnittsmensch dieser Belastung standhielt, bevor man das Experiment auf wirklich wichtige Persönlichkeiten ausdehnte.
Dabei erschien es Brittany eher unwahrscheinlich, dass man wegen einer einzelnen Person einen solchen Aufwand betrieb. Doch das »Schiff« war schließlich groß genug. In seinen unzähligen Gängen und Räumen konnte es Dutzende von Menschen geben, die sich in der gleichen Situation befanden wie sie. Natürlich verhinderte man, dass sie einander begegneten. Brittany hatte um eine Führung gebeten und sie bekommen. Ihr Staunen über die Detailverliebtheit, mit der dieses Projekt betrieben wurde, kannte keine Grenzen. Selbst wenn der eigenartige Lift sie gar nicht auf andere Stockwerke brachte, sondern seine Türen nur immer wieder auf dieselbe Ebene hinaus öffnete, auf der man zuvor in rasender Geschwindigkeit die Kulissen verändert hatte, waren die Kosten dafür sicher horrend. Schon allein diese Tatsache sprach dafür, dass sich noch andere Testpersonen, die auch noch ganz oder teilweise überzeugt werden mussten, mit an Bord befanden.
Man zeigte Geduld mit Brittanys Zweifeln. Nie versuchte irgendjemand, sie unter Anwendung von Druck oder Zwang zur Einsicht zu bringen. Brittany war dankbar dafür, denn auf diese Weise konnte sie die Reise genießen. Manchmal fühlte sie sich, als sei sie in die lebendig gewordene Handlung eines Romans eingetaucht. Dieser Gedanke begann sie zu begeistern. Mit ihren Fragen über das Leben in jener fernen Ecke des Universums, auf die sie angeblich zusteuerten, brachte sie die Romanfiguren dazu, ihre Geschichte mit weiteren Details auszuschmücken. Sie erfuhr, dass Daldens Mutter auf ihrem Heimatplaneten als Heldin gefeiert wurde und die Entdeckerin von Sha-Ka’an gewesen war. Erst Tedra hatte diesen Stern ins Bewusstsein der anderen Völker gehoben, die das Universum besiedelten. Man erklärte Brittany, dass Sha-Ka’an für Besucher weit gehend gesperrt sei. Wer dort landete, musste sich in einem Besucherzentrum aufhalten und seine Geschäfte von dort aus tätigen. Ausnahmen gab es nur selten. Diese strengen Regeln waren erst in jüngster Zeit aufgestellt worden. So genannte Touristen hatten nach der Entdeckung des Planeten dort zu viel Unheil angerichtet. Im Laufe der vielen Stunden, die Brittany mit Shanelle verbrachte, erfuhr sie, dass größtenteils Falons Familie für die Verbannung der Besucher in eine bestimmte Zone verantwortlich war. Einer der Anderweltler war eines Tages über seine Schwester hergefallen und hatte sie vergewaltigt. Das hätte beinahe zu einem Krieg geführt. Seither durften sich Fremde auf Sha-Ka’an nicht mehr frei bewegen. Brittany hielt das für eine clevere Ausrede, denn auf diese Art und Weise brauchte man ihr nicht allzu viel von diesem sonderbaren Stern zu zeigen. Doch Shanelle versicherte ihr, Lebensgefährtinnen fielen unter die Ausnahmeregel. Brittany war ja nun eine Ly-San-Ter und somit eine von ihnen.
Shanelle erzählte Brittany auch, dass sich – genau wie auf der Erde – jedes Land auf Sha-Ka’an von seinen Nachbarländern unterschied. Die einzelnen Staaten hatten eigene Regeln und Gesetze sowie verschiedene Weltanschauungen. Auch die Bewohner sahen unterschiedlich aus; nur die auffällige Größe und den muskulösen Körperbau hatten alle Sha-Ka’ani gemeinsam. Shanelles Lebensgefährte Falon und sein Bruder dienten ihr als Beispiele. In der Gegend, aus der sie stammten, hatten die Menschen überwiegend schwarzes Haar und blaue Augen, während dort, wo Dalden und Shanelle herkamen, fast alle blond waren und goldbraune Augen hatten. Abgesehen von diesen äußeren Unterschieden genossen die Frauen in Falons Volk angeblich größere Freiheiten als die Frauen der Kanis-Tra. Aber über dieses Thema wollte Brittany lieber noch nicht allzu viel wissen.
Sie und Shanelle wurden im Laufe der Reise Freundinnen. Zumindest empfand Brittany das so, auch wenn sie annehmen musste, dass Daldens
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