Stern der Riesen
gekleidete Gestalt mit silberweißem Haar.
Der Mann wandte sich von der Rezeption ab, wo er seinen Zimmerschlüssel abgeholt hatte, und schlenderte bis zur Mitte der Halle, wo er stehenblieb und seine Umgebung musterte.
Der dunkelhaarige Mann wartete in der Nähe des Fahr-stuhlschachts, als Pacey ungefähr eine Minute später im 35.
Stockwerk den Fahrstuhl verließ. Als Pacey auf den Mann zukam, drehte er sich um und ging wortlos vor ihm her. Als er Zimmer 3527 erreicht hatte, trat er zur Seite und ließ Pacey die Tür aufschließen. Pacey ließ ihm den Vortritt, folgte ihm und schloß die Tür hinter ihnen, als der Unbekannte das Licht angeschaltet hatte. »Nun?« fragte Pacey.
»Sie können mich Ivan nennen«, sagte der dunkelhäutige Mann. Er sprach mit einem harten europäischen Akzent.
»Ich komme aus der sowjetischen Botschaft hier in Washington. Ich habe eine Nachricht an Sie, die ich persönlich überbringen soll: Mikolai Sobroskin möchte Sie unbedingt wegen wichtiger Angelegenheiten, über die Sie, soweit ich informiert bin, Bescheid wissen, treffen. Als Ort des Treffens schlägt er London vor. Die Details hat er mir mitgeteilt. Sie können Ihre Antwort über mich weitergeben.« Er beobachtete Pacey einige Sekunden lang, als dieser ihn unsicher anstarrte. Dann griff er in eine Jackentasche und zog ein zusammengefaltetes Stück Papier von Karteikartenstär-ke heraus. »Er hat mir gesagt, ich könnte Sie davon überzeugen, daß diese Nachricht echt ist, indem ich Ihnen das hier gebe.«
Pacey nahm das Papier und faltete es auf. Es war eine unbeschriftete rosa Dokumentenmappe mit der roten Umrandung, wie sie von den UN für vertrauliche Mitteilungen verwendet wurde. Pacey starrte sie einige Sekunden lang an, sah dann auf und nickte. »Ich selbst bin nicht autori-siert, Ihnen sofort eine Antwort zu geben«, sagte er. »Ich muß mich später mit Ihnen wieder in Verbindung setzen.
Wäre das möglich?«
»Das hatte ich erwartet«, sagte Ivan. »Im nächsten Block gibt es ein Café namens ›Halbmond‹. Dort werde ich auf Sie warten.«
»Ich muß vielleicht noch einmal weg«, warnte Pacey.
»Es kann also noch eine Weile dauern.«
Ivan nickte. »Ich werde auf Sie warten«, sagte er und ging.
Pacey schloß hinter ihm die Tür und ging einige Minuten lang nachdenklich im Zimmer auf und ab. Dann setzte er sich vor das Daten-Terminal, aktivierte es und rief Jerol Packards Privatnummer an.
Unten saß Lyn im Alkoven am Rande der Halle und dachte über ägyptische Pyramiden, mittelalterliche Kathedralen, englische Schlachtschiffe und den Rüstungswettlauf in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts nach. Gehörte das alles zu dem gleichen Muster, fragte sie sich. Ganz gleich, wieviel mehr Reichtum pro Kopf eine voranschrei-tende Technologie auch theoretisch ermöglichte, immer hatte es etwas gegeben, das den Überschuß aufsaugte und die normalen Menschen zu lebenslanger schwerer Arbeit verurteilte. Die Produktion mochte noch so sehr anwach-sen, aber trotzdem schienen die Menschen niemals weniger zu arbeiten, sondern nur in anderen Bereichen. Wenn sie aber die Früchte ihrer Arbeit nicht ernteten, wer dann sonst? Sie begann, vieles ganz anders als bisher zu be-
trachten.
Eigentlich nahm sie den Mann auf dem Stuhl nicht wahr, den Pacey vor einigen Minuten frei gemacht hatte, bis er zu sprechen begann. »Darf ich mich zu Ihnen setzen? Es ist so entspannend, am Ende eines hektischen Tages nur dazusit-zen und nichts zu tun, als die menschliche Rasse bei ihren Verrichtungen zu beobachten. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen. Die Welt ist so voll von einsamen Menschen, die darauf bestehen, aus sich selbst eine Insel und aus ihrem Leben eine Tragödie zu machen. Mir kommt das immer so unnötig vor.«
Lyn fiel fast das Glas aus der Hand, als ihr Blick auf das Gesicht fiel, das sie erst vor Stunden auf der Wandtafel gesehen hatte, die von Clifford Benson in Packards Büro bestückt worden war. Es war Nils Sverenssen.
Sie kippte den Rest ihres Drinks mit einem Schluck hinunter, erstickte dabei fast und brachte gerade noch »Ja...
nicht wahr« heraus.
»Wohnen Sie hier, wenn Sie die Frage gestatten?«
wollte Sverenssen wissen. Sie nickte. Sverenssen lächelte.
Er hatte mit seinem aristokratischen Aussehen und seiner vorsätzlich reservierten Art etwas an sich, was ihn von dem größten Teil der männlichen Hälfte der menschlichen Rasse auf eine Weise abhob, die viele Frauen attraktiv finden, gestand
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