Sterne einer Sommernacht
Hausaufgaben ein goldenes Sternchen bekommen.” Emma kam hereingestürmt, ein blondes, zierliches Püppchen in einem roten Spielanzug. Sie lächelte Devin scheu an. „Hallo.”
„Hallo, mein Engelchen. Lass mich das Sternchen doch mal sehen.”
Das Schulheft umklammernd, kam sie auf ihn zu. „Du hast auch einen Stern.”
„Der ist aber nicht so schön wie deiner.” Devin fuhr mit dem Zeigefinger über den aufgeklebten goldenen Stern in Emmas Heft. „Hast du deine Hausaufgaben allein gemacht?”
„Fast. Darf ich auf deinen Schoß?”
„Mit dem größten Vergnügen.” Lachend griff er nach ihr, hob sie hoch und setzte sie sich auf den Schoß. Nachdem er mit seiner Wange ihr seidenweiches Haar gestreichelt hatte, grinste er Connor an. „Und wie geht’s dir, Champ?”
„Okay.” Angesichts des Spitznamens durchzuckte es Connor freudig erregt. Er war zehn und, ebenso wie Emma, klein für sein Alter und ebenfalls blond.
„Du hast letzten Samstag prima gespielt.”
Jetzt wurde er rot. „Danke. Aber Bryan war noch besser.” Seine Loyalität und Liebe für seinen Freund kannten keine Grenzen. „Haben Sie denn das Spiel wirklich gesehen?”
„Ein paar Runden. Große Klasse.”
„Und eine Eins in Geschichte hat er auch”, ließ sich Emma vernehmen.
„Und deshalb hat ihn der blöde Bobby Lewis im Bus geschubst und ihm ein schlimmes Wort nachgerufen.”
„Emma …” Peinlich berührt warf Connor seiner kleinen Schwester einen finsteren Blick zu.
„Ich möchte wetten, dass Bobby Lewis keine Eins bekommen hat”, kommentierte Devin.
„Bryan hat’s ihm aber gegeben.” Emmas Mitteilungsbedürfnis war nicht einzudämmen.
Das kann ich mir lebhaft vorstellen, dachte Devin, während er Emma mit einem Keks den Mund stopfte, damit sie nicht noch mehr sagte und ihren Bruder weiter beschämte.
„Ich bin stolz auf dich.” Cassie drückte Connor kurz. „Auf euch beide. Ein goldenes Sternchen und eine Eins an einem einzigen Tag. Das müssen wir später mit einem Becher Eiskrem bei Ed feiern.”
„Ach, das ist doch nichts Besonderes”, brummte Connor, und man merkte ihm an, dass er am liebsten im Boden versunken wäre.
„Für mich schon, mein Kleiner.” Cassie beugte sich zu ihm hinunter und gab ihm einen dicken Kuss. „Und wie.”
„Ich war in Mathe eine absolute Null”, erzählte Devin. „Ich konnte machen, was ich wollte, über eine Drei bin ich nie rausgekommen.”
Connor starrte auf seine Schuhspitzen und spürte plötzlich seine Intelligenz wie ein Zentnergewicht auf seinen Schultern lasten. Eierkopf.
Streber. Schwächling. Nichtsnutz. Die Worte seines Vaters hatten ihre Wirkung nicht verfehlt.
Cassie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Devin kam ihr zuvor. „Dafür war ich in Geschichte und Englisch ein Ass.”
Überrascht zuckte Connors Kopf hoch. In seinen Augen glomm ein winziger Hoffnungsfunke auf. „Ehrlich?”
Es fiel Devin nicht leicht, ernst zu bleiben. „Ja. Schätze, das kam daher, weil ich immer ganz wild auf Bücher war. Das ist bis heute so geblieben.”
„Sie lesen Bücher?” Für Connor war es, als sei Weihnachten und Ostern auf einen Tag gefallen. Vor ihm saß ein Mann, ein richtiger Mann mit einem richtigen Männerjob, der Bücher las. Dann hatte sein Vater mit seiner Behauptung, Lesen sei nur Weiberkram, eben doch unrecht gehabt.
„Sicher.” Devin schaukelte Emma auf seinen Knien und grinste jungenhaft. „Die Sache war die, dass Rafe in Englisch ein totaler Versager war, dafür allerdings in Mathe ein Genie. Also haben wir uns gegenseitig unter die Arme gegriffen. Er hat meine Mathehausaufgaben gem…” Ein Blick auf Cassie zeigte ihm, dass er einen Fehler gemacht hatte. „Ich habe ihm bei seinen Englischhausaufgaben geholfen, dafür half er mir mit Mathe. So hatten wir beide was davon.”
„Lesen Sie gern Geschichten?” Connors Hoffnung wuchs. „Erfundene, meine ich.”
„Es gibt nichts, was ich lieber lese.”
„Connor schreibt nämlich Geschichten”, fiel Cassie ein, ohne Rücksicht darauf, dass der Junge sich vor Scham wand.
„Ich hab’s schon gehört. Vielleicht lässt du mich ja mal eine lesen.”
Bevor Connor antworten konnte, meldete sich Devins Piepser. „Teufel”, brummte er.
„Teufel”, plapperte Emma anbetungsvoll nach.
„Du willst wohl, dass ich böse werde, was?” Devin zwinkerte ihr lachend zu und schob sie ein Stück vor, um an seinen Piepser zu kommen. Ein paar Minuten später blieb ihm nichts anderes
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