Sterne einer Sommernacht
übrig, als seinen Plan, die drei zum Essen einzuladen, aufzugeben. „Ich muss los. Irgendjemand ist bei Duff ins Lager eingebrochen und hat Bierkästen geklaut.”
„Schießt du auf sie?”, fragte Emma neugierig und machte große Augen.
„Das glaube ich nicht. Gibst du mir einen Kuss, bevor ich gehen muss?”
Sie spitzte ihr Mündchen und gab ihm einen feuchten Kuss auf die Wange, ehe er sie absetzte. „Danke für den Kaffee, Cass.”
„Ich bring dich raus. Und ihr beide geht nach oben und esst das, was ich euch hergerichtet habe. Ich komme gleich nach.” Sie wartete, bis ihre beiden Kinder draußen waren, bevor sie weitersprach. „Danke, dass du so mit Connor gesprochen hast. Das hat ihm sehr gutgetan, glaube ich. Er ist wirklich überempfindlich, was die Schule betrifft.”
„Er ist ein heller Junge. Es wird nicht mehr lange dauern, dann schämt er sich nicht mehr dafür, dass er intelligent ist, sondern weiß es richtig einzusetzen. Du wirst schon sehen.”
„Du hilfst ihm dabei. Er bewundert dich.”
„Es hat mich nicht viel Überwindungskraft gekostet, ihm zu erzählen, dass ich lese. Vor allem, weil es die Wahrheit ist.” Devin blieb an der Tür stehen. „Ich mag ihn sehr gern.” Er machte eine Pause und fügte dann an: „Euch alle.”
Als sie den Mund öffnete, um etwas zu sagen, fuhr er ihr mit dem Zeigefinger über die Wange. „Euch alle”, wiederholte er und ging dann hinaus.
2. KAPITEL
I n manchen Nächten, wenn alles schlief, hatte Cassie die Angewohnheit, durchs Haus zu wandern. Nur den ersten Stock, in dem die Gästezimmer lagen, betrat sie nicht. Ihre Gäste hatten für ihre Ungestörtheit bezahlt, und Cassie achtete sorgsam darauf, dass sie auch bekamen, was ihnen zustand.
Aber sie spazierte durch ihre eigene Wohnung im zweiten Stock und freute sich an den hübsch eingerichteten Zimmern und dem Blick aus den Fenstern. Der glatte, blank polierte Holzfußboden unter ihren nackten Füßen fühlte sich gut an.
Sie genoss das Gefühl von Freiheit und Sicherheit, von dem sie geglaubt hatte, sie würde es niemals erleben, in vollen Zügen. Die gesamte Kücheneinrichtung hatte sie neu gekauft und aus eigener Tasche bezahlt, ebenso wie die Vorhänge vor den Fenstern.
Natürlich war nicht alles neu hier, aber es war neu für sie. Die Sachen, die in der Wohnung gewesen waren, die sie mit Joe geteilt hatte, hatte sie verkauft und sich dafür gebrauchte andere Sachen angeschafft. So hatte sie auf ihre Art mit der Vergangenheit abgeschlossen.
In solchen Nächten stieg sie die Treppen hinab ins Erdgeschoss, wanderte vom Salon in den Frühstücksraum und von dort in den herrlichen Wintergarten mit seinen üppigen Pflanzen und der blinkenden Glasfront.
Sie stand im Flur und lauschte oder setzte sich auf die Stufen, einfach nur, um die Stil e zu genießen.
Der einzige Raum, den sie lieber mied, war die Bibliothek. Aus irgendwelchen Gründen mochte sie dieses Zimmer nicht, trotz seiner tiefen weichen Ledersessel und den bis zur Decke reichenden Regalen, die voll waren mit Büchern.
Sie wusste instinktiv, dass die Bibliothek das Reich von Charles Barlow, Abigails Ehemann, gewesen war. Ein Mann, der kaltblütig einen konföderierten Soldaten, einen Jungen, der kaum alt genug war, um sich rasieren zu müssen, niedergeschossen hatte.
Manchmal, wenn sie die Treppe, auf der die Tragödie passiert war, hinaufging, hörte sie regelrecht, wie der Schuss die Stil e zerriss, gefolgt von den entsetzten Schreien der Sklaven, die die sinnlose und brutale Tat des Hausherrn mit angesehen hatten.
Auch Cassie hatte sinnlose Brutalität am eigenen Leib erfahren.
Deshalb wohl konnte sie sich auch so stark in Abigail Barlow einfühlen, und sie war überzeugt davon, dass die unglückliche Frau noch immer irgendwo hier in diesen Mauern lebte. Nicht nur wegen des Weinens, das manchmal zu hören war, ohne dass man sich seinen Ursprung erklären konnte, oder wegen des Rosendufts, der oft in der Luft lag, auch wenn nirgendwo ein Rosenstrauß stand.
Es gab noch einen zweiten Grund, weshalb sie eine Seelenverwandtschaft mit Abigail Barlow fühlte. Heute, in einem unbedachten Moment, hatte sie ihn Devin verraten. Sie glaubte zu wissen, dass es in Abigails Leben einen Mann gegeben hatte, den sie liebte, um den sie ebenso geweint hatte wie um den ermordeten Jungen. Nach dem sie sich verzehrt und von dem sie geträumt hatte. Und über dem Gedanken, dass ihre Liebe nie in Erfüllung gehen würde, war sie
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