Sternendieb - Roman
gezeigt hatte. Sie hatte es der Alice noch nie gesagt.
Marco schob sie vor sich her in den Wald und wieder auf die Treppe hinaus. »Gleich nach dem Auftritt«, versprach er. »Als Erstes.« Mit einer einzigen Armbewegung nahm er Talo aus Sarahs Händen und lud sich den angeschlagenen Vogel wieder auf die Schulter. »Alle da? Mogul, Xtaska?«
»Dann ist es zu spät , Marco!«, sagte sie über die Schulter.
Er hielt plötzlich inne und fasste sie von hinten bei den Oberarmen, eine aufmunternde Geste. »Kopf hoch. Machst du dir solche Sorgen? Ruf sie an. Sag ihnen, das Geld ist unterwegs.«
»Sinnlos«, sagte Tabea zerknirscht. »Hast du den Chip? Oder hab ich ihn wieder?«
»Du hast gesagt, du trägst ihn solange.«
»Wie lange? Ich? Wann habe ich das gesagt?«
»Auf der Party.«
»Wenn ich erst König bin, mein Tussischatz, dann wirst du Königin« , versprach Talo, der anscheinend wieder guter Dinge war.
»Sei still, Talo!« fuhr Marco ihn an.
Sie stiegen im Gänsemarsch die Treppe hinunter, Xtaska bildete die Nachhut. Seine oder ihre fliegende Untertasse summte sanft und störte die Wandbehänge auf.
Unten im Korridor wartete bereits freundlich flackernd der grüne Lotse.
»Hat etwas nicht funktioniert?«, fragte die Stimme von überall und nirgends.
»Nein, nein, es war alles in bester Ordnung«, antwortete Marco verhalten und ehrerbietig.
»Es darf keinesfalls in die Präsentation eingegriffen werden« , sagte die allgegenwärtige Stimme nicht ohne Argwohn. »Der Ruhende und seine Mitruhenden könnten verstört reagieren.«
»Sie ist wohlauf«, sagte Marco. »Sie ist nicht verstört. Sie hat nur einen Audio-Chip gehört. Sie schläft jetzt. Lasst sie bitte für eine Weile allein.«
»Alle Geschenke müssen untersucht und registriert werden« , beharrte die Stimme.
»Wir müssen dringend fonieren«, sagte Marco geschäftig. »Kann die Lady euer Fon benutzen?«
»Schon gut. Hat sich erledigt«, meinte Tabea laut und vernehmlich. Sie wollte die Polizei nicht auf sich aufmerksam machen, bevor sie zahlungskräftig war. Die Frist lief ab. Diese Irren waren schuld, wenn sie die Frist nicht einhalten konnte.
Sie verließen das Schlaf-der-Gerechten durch einen tiefergelegenen Ausgang unterhalb der eigentlichen Kuppel und traten auf einen freitragenden Balkon hinaus. Sie standen über dem Abgrund. Fünfhundert Meter tiefer erstreckte sich eine lange, glitzernde Narbe, die mit kränkelndem Gestrüpp bewachsen war. Auf halber Höhe krebste Bergungsgerät umher und bemühte sich um etliche Fahrzeugwracks. Auf den Hotelbalkonen standen gaffende Gruppen von Müßiggängern. Darüber schwangen
sich die höckrigen schmutzig braunen Gewölbe der Frasqui-Architekten empor, um sich irgendwo im Ungewissen zu treffen.
Sie eilten den Betonweg hinunter, der am Abgrund entlangführte. Die Luft war kalt und staubig. Schmutzige Eisklumpen lagen herum. Ganz in der Nähe vernahm Tabea ein schwaches und wehmütiges Singen. Es war schwer zu sagen, ob es von einem Menschen, einem Alien oder einer Maschine herrührte. Es zerrte an ihren Nerven. Plötzlich bemerkte sie, von wem es stammte. Es war Talo, der schmachtend vor sich hin kollerte.
Sie versuchte, mit Xtaska Schritt zu halten. Der Cherub lag jetzt vorne und hielt auf die Fahrstühle zu.
Achtzehn Minuten. Siebzehn. Sechzehn.
Bei den Aufzügen spielte sie noch einmal mit dem Gedanken, sich einfach abzusetzen, Hals über Kopf zur Alice zurückzukehren und das Weite zu suchen. Die Chancen, Besagtes zu finden, standen denkbar schlecht.
Vielleicht war die Show noch rechtzeitig zu Ende. Vielleicht brachten diese Irren ihren Auftritt über die Bühne, noch ehe die bürokratischen Getriebe des umständlichen Polizeiapparats ineinandergriffen und die Polypen von Plenty von den Schnauzen die Weisung erhielten, die Alice zu kassieren. Und falls nicht, dann sollte es mit dem Teufel zugehen, wenn sie Marco Metz nicht dazu bekam, die Alice wieder auszulösen. Wer ihr in die Suppe spuckte, musste sie auch auslöffeln.
Sie zwängten sich alle in ein und dieselbe Liftkabine. Und dann ging es aufwärts, aufwärts, aufwärts, weit hinauf bis zum Merkur-Palast am höchsten Punkt des Schildkrötenschilds von Plenty.
Der Merkur-Palast hat inzwischen wiedereröffnet. Wenn jetzt Marco Metz hier auftritt, sind alle Plätze besetzt. Er hat nicht gezögert, die öffentliche Neugier auf die Protagonisten unseres Abenteuers auszunutzen.
An jenem fraglichen Abend lief das Geschäft längst
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