Sternenfaust - 111 - Die Stimmen der Götter
werde mich darum kümmern, dass es ihr bald besser geht.«
»Tu das. Mein Palast steht dir offen.«
Seran-Pakor wandte sich zum Gehen. Die beiden Botschafter der Solaren Welten würden bereits im Hof auf ihn warten. Vielleicht war das überstürzt, doch ich kann es mir nicht erlauben, mir von einem Tugendwächter auf dem Schnabel herumtanzen zu lassen. Der Raisa krächzte hilflos. Jeden Tag redete Kass-Feor auf ihn ein, den Krieg vorzubereiten. Von den Worten der Botschafterin und des Ratsmitgliedes der Solaren Welten wollte der Mar-Tanjaj nichts wissen. Auch das Volk misstraute den Aussagen der Schnabellosen. Und er selbst verlor mit jedem Tag an Sympathie. Schon sein Besuch in den Solaren Welten war im Volk auf Widerstand gestoßen und hatte ihn schlecht dastehen lassen. Das Attentat hatte Öl ins Feuer gegossen. Dass er nun den Tugendwächter des Orakels aus dem Palast hinausgeworfen hatte, spielte seinen Feinden in die Hände. Es würde schnell die Runde machen. Die Situation spitzte sich immer mehr zu.
Die Ereignisse sind wie eine Lawine. Und ich stehe ihr im Weg.
*
Matlanor, Tempelbezirk, Mat-Lor
Der Raisa selbst stand auf der Kanzel vor dem aufgebrachten Volk. Eine Weile herrschte Ruhe. Er war der Raisa und es dauerte, bis die ersten Kridan es wagten, Zwischenrufe von sich zu geben.
»Wo ist Saha-Fera?«
Der Raisa ließ das Volk eine geraume Zeit warten. Nicht weil er es prüfen wollte, sondern einfach, weil er aufgeregt war. Er fühlte sich müde und entkräftet, in den letzten Wochen hatte er viel gesehen und viele schwere Entscheidungen treffen müssen. Ihm war, als sei er um mehrere Jahrhunderte gealtert. Trotzdem war er noch immer der alte Seran-Pakor, ungeduldig, ungestüm und neugierig. In der Zeit der Krise hatte er versucht sich zusammenzureißen. Nun spürte er, im Tempel Mat-Lor, vor seinem Volk, dass er noch nicht so weit war. Er wollte nicht mit zitternder Stimme zu seinem Volk sprechen. Sie brauchten einen starken Anführer. Einen wie den letzten Raisa, der unbeugsam gewesen bis zum Tod.
Er hörte plötzlich, wie sich jemand zu ihm auf das Ferka-Brett gesellte. Satren-Nor. Mein Mentor. Du lässt mich nicht allein.
»Schweigt!« Satren-Nor trat neben den Raisa. »Saha-Fera geht es sehr schlecht und der Raisa möchte zu euch sprechen!«
Alle schwiegen, doch wieder gelang es Seran-Pakor nicht, einen Anfang zu finden. Er versuchte Haltung zu bewahren.
»Wir wollen Saha-Fera sehen!«, rief ein alter Kridan in grauschwarzer Uniform.
»Will er uns den Krieg verkünden?«, krächzte plötzlich ein junger Kridan-Krieger aufgeregt los. Einer, der ob seines Alters noch nie in einer Schlacht gewesen sein konnte.
»Ja! Er will den Krieg verkünden! Verkünde den heiligen Krieg!« Jubel brandete auf. Der Raisa fühlte, wie ihm schwindelig wurde. War das ein Zeichen von Gott? Wollte Gott es wirklich?
»Ruhe!«, herrschte Satren-Nor die versammelte Menge an. »Habt ihr schon vergessen, vor wem ihr steht? Der Raisa hat euch bereits erklärt, dass die Solaren Welten keinen Krieg wünschen! Sie sind unsere Verbündeten! Hinter dem Anschlag auf Daren-Kan stecken die J’ebeem!«
»Dann kämpfen wir eben zuerst gegen die J’ebeem!«, rief ein derb aussehender Kridan aus der Menge. »Aber wir wollen endlich wieder kämpfen! Erklärt den Krieg!«
Etwas an der Aussprache des Kridan erschien dem verunsicherten Raisa seltsam, aber er konnte es nicht fassen.
»Krieg, Krieg, Krieg!«, donnerte die Menge. Die Stimmen wurden mehr und mehr zu einer Einzigen.
»KRIEG! WIR WOLLEN ENDLICH KRIEG! FÜHRE UNS AN!«
Der Raisa glaubte, in einem Albtraum zu stehen.
»Ruhe!«, krächzte er endlich. »Es wird keinen Krieg geben!«
»Verrat!«, klackerte eine Kridan aus der Menge. »Diese Botschafter aus den Solaren Welten sind Schuld! Sie setzen Seine Heiligkeit unter Drogen! Ihretwegen hat der Raisa sogar einen Tugendwächter aus dem Palast geworfen!«
»Er wird beeinflusst …«
»Wir wollen den Krieg!«
»Satren-Nor übertreibt! Der Frieden war gut, doch nun endet er eben! Wir können ja nach dem Sieg wieder Frieden haben!«
Der Raisa wandte sich bleich an Satren-Nor. Er sprach kaum hörbar. »Ich möchte nur hier fort, Mentor.«
»Bewahre Haltung, Seran-Pakor. Gerade jetzt. Ich werde dir vorausgehen und du wirst mir folgen. Aber geh aufrecht. Und lauf nicht zu schnell. Es darf nicht wie eine Flucht aussehen.« Die Stimme des Predigers war eindringlich und leise. Dann wurde sie wieder
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