Sternenfaust - 185 - Das erloschene Reich
kniff die Lippen fest zusammen.
Nier bohrte nicht weiter.
Kurz darauf langten sie bei Taros einstigem Zuhause an. Es war ebenso eingestürzt wie fast jedes andere Gebäude des Clusters.
Mit klammem Gefühl durchkämmte Taro mit Niers Hilfe die Trümmer.
Eine bange Stunde verging, ohne dass sie auf eine Spur von Cana stießen. Abgesehen von Nier schien tatsächlich kein einziger Karolaner die wütende Attacke des Tenebrikoners überstanden zu haben.
Wie gewaltig der Planet war, wie riesig seine Zahl bewohnter Flecken, war Taro gerade erst bei seinem Ausritt klar geworden. Dass das Ungeheuer sich ausgerechnet Kor’Aron für seinen feigen Anschlag ausgesucht haben sollte, wollte und wollte ihm nicht in den Kopf.
Obwohl Niers sämtliche Angehörigen dem Wettkampf beigewohnt und damit wahrscheinlich zu den ersten Opfern des Tenebrikoners gezählt hatten, begaben sie sich auch zu dessen Heim, das dem ehemaligen Zentrum des Clusters näher lag. Aber auch hier wartete nur eine zerschmetterte Ruine auf sie. Auch hier war weit und breit keine Bewegung auszumachen, kein noch so leiser Ruf eines Verschütteten oder Verletzten zu hören.
Im Angesicht seines einstigen Zuhauses konnte auch Nier seine Gefühle nicht verbergen. Wieder verfiel er in heftiges Schluchzen, bis Taro genug hatte und Nier grob an den Schultern packte. »Sie leben noch«, sagte er eindringlich. »Noch gebe ich die Hoffnung nicht auf!«
Nier wischte sich mit dem Unterarm übers Gesicht. Dann blickte er zum eingestürzten Turm des Prinzipals, von dem wie durch ein Wunder die Außenwände des unteren Bereichs nur geringe offensichtliche Zerstörungen aufwiesen.
»Vielleicht …«, setzte Nier an.
»Vielleicht was?«, drängte ihn Taro, weiterzusprechen.
»Vielleicht haben sie sich dorthin geflüchtet. Die, die außer mir noch entkommen konnten, meine ich.«
»Hast du außer mir noch andere zurückkehren sehen?«
»Andere?«
»Wir waren zwölf Anwärter. Sechs von uns haben jeweils einen Eponen errungen. Ich sah auch die fünf, die vor mir zu den Gewinnern der Zweikämpfe zählten, auf ihren Eponen davonreiten. Waren sie bereits wieder zurückgekehrt, als der Tenebrikoner erschien?«
Nier verneinte.
»Das heißt, es gibt eine Chance, dass sie dem Angriff ebenfalls entgangen sind.«
»Sollen wir zurück zum Gelände und nachsehen«, fragte Nier, »ob schon welche eingetroffen sind?«
»Ich will zuerst im Turm nachsehen«, erwiderte Taro.
Nier erwiderte nichts und folgte Taro schweigend, während sie die Strecke zum ehemaligen Domizil des Prinzipals zurücklegten.
Je näher sie dem Gebäude kamen, desto deutlicher wurde, dass die Entfernung getäuscht hatte. Die Schäden am verbliebenen Sockelteil waren alles andere als unbeträchtlich. Das Portal war aus seinen Führungen gesprengt worden.
Immerhin erleichterte das den Zutritt.
Es mochte auch potenziellen Schutzsuchenden den Zutritt ermöglicht haben.
Rufend trat Nier noch vor Taro ins Innere. Taro folgte ihm und wurde von der Erinnerung an das gemeinsame Eindringen mit Jinu schier überwältigt.
Zitternd kam er neben Nier zum Stehen.
Die große Halle war vollkommen verlassen. Der Blick nach oben zeigte freien Himmel, weil die Decke weggerissen worden war. Es gab aber nur wenige Trümmer, die sich über den Hallenboden verteilt hatten.
Erstaunlicherweise war der Schrein des Weisen, der immer noch die Mitte markierte, völlig unversehrt. Ebenso gut hätte ein schwerer Brocken ihn getroffen und unter sich begraben haben können.
Schnell lief er mit Nier auf den gläsernen Totenschrein zu.
Er war tatsächlich völlig unbeschädigt, und dennoch hatte er sich in absurder Weise verändert.
»Leer«, hauchte Taro. »Wieso ist er leer? Ich war gestern noch hier, und es hieß, der Weise solle noch ein paar Tage länger hier verbleiben, damit auch wirklich jeder Zeit und Muße findet, sich von ihm zu verabschieden.« Seine Stimme brach. »Der Tenebrikoner? Kann es sein, dass der Tenebrikoner sich nicht nur die Lebenden geholt hat, sondern auch den Toten?«
Niers Gesicht wurde zur Grimasse. »Aber warum sollte er?«
Darauf hatte auch Taro keine Antwort. Sein Blick war an jener Tür hängen geblieben, die er ebenfalls in Jinus Beisein durchschritten hatte. Auch sie stand offen.
Fast wie von selbst setzten sich seine Beine in Bewegung.
»Taro?«, hörte er Niers Stimme. Er antwortete nicht.
Die Türöffnung zog ihn wie magisch an.
»Taro! Wohin willst du?«
Hinter ihm erklangen hastende
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