Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)
wirkten ihre Augen aufmerksam und wachsam.
Die Frauen führten ihn zum Treppenhaus und dann weiter nach oben. Kieran blickte zurück und sah eine lange Schlange von Menschen hinter sich die Treppe hinaufstapfen. Ihm wurde bewusst, dass sie eine feierliche Hymne sangen, obschon er aufgrund des Echos in dem Treppenhaus den Text nicht verstehen konnte. Der Klang war gerade vertraut genug, um eine surreale Wirkung auf ihn auszuüben. Er hatte nichts in dieser Art erwartet, und nun wurde ihm ganz wirr im Kopf.
Sie führten ihn in die Hauptunterkunft. Alle Betten waren aus dem Raum entfernt worden. An ihrer Stelle standen Dutzende von Festtafeln mit Tischdecken. Der gesamte Raum war üppig mit Palmwedeln und Gestecken aus asiatischen Lilien, Iris, Sonnenblumen und Farn dekoriert. Jemand nahm seine Hand, und als er sich umdrehte, sah er Mather, die ihn anlächelte. Sie zog ihn auf eine Bühne mit einem langen, schmalen Tisch, an dem ein Dutzend älterer Erwachsener saßen und ihn mit streng gerunzelten Mienen erwarteten. Er setzte sich an den ihm zugewiesenen Platz und schaute ungläubig zu Anne Mather hinüber, die mit einer erhobenen Hand die Menge verstummen ließ.
Es musste einfach choreographiert worden sein: Sobald sich die Stille im Raum ausgebreitet hatte, summte jemand einen Ton, der sofort von den Anwesenden aufgenommen und in eine Melodie überführt wurde. Es war eine dreistimmige Harmonie mit lateinischen Wörtern, die sich immer wiederholten, in allen verschiedenen Stimmlagen. Es klang wunderschön, erfüllte Kieran aber mit einem Gefühl dunkler Vorahnung. Die Realität der Situation schien mit dem, was hier gerade geschah, auf seltsame Art und Weise nicht übereinzustimmen. Es schien, als ob keiner dieser Leute bereit sei anzuerkennen, dass sie schreckliche Verbrechen begangen hatten. Wie konnte man mit solchen Menschen verhandeln?
Sobald das Lied geendet hatte, übernahm Anne Mather die Bühne. Sie lächelte auf die Menge herunter – ihre Gemeinde, wie Kieran erkannte – und sagte: » Dona nobis pacem. Gib uns Frieden. Ich kann mir keine passendere Art vorstellen, diesen Tag zu beginnen! Nun lasst uns alle die Köpfe senken und danksagen für die Anwesenheit unseres Freundes Kieran Alden.«
Jeder Kopf im Saal senkte sich gehorsam. Kieran faltete seine Hände, hielt aber stets sein Augenmerk auf Mather gerichtet, die in ihr Mikrofon sprach. »Friede sei mit euch«, sagte sie zu ihrer Gemeinde.
»Friede sei mit dir«, plapperten sie ihr nach.
»Herr!« Anne Mather hob ihre Hände über den Kopf, als könnte sie die göttliche Präsenz in der Luft berühren. »Es ist unser inbrünstigster Wunsch, dass du unsere Verhandlungen mit dem Abgesandten der Empyrean leiten mögest, so dass wir auf New Earth in den nächsten Generationen zusammenleben können. Wir flehen um deine Anwesenheit hier an unserem Tisch. Hilf uns zu verstehen, was wir fragen und wie wir antworten sollen, auf dass wir eine Übereinkunft finden und, falls das nicht zu viel der Hoffnung ist, wir in brüderlicher Liebe zusammenkommen können, um deinen Namen zu preisen. Amen.«
»Amen!«, erwiderte die Menge.
Die Türen an der Rückseite des Saals öffneten sich, und Menschen schoben Servierwagen hinein, die mit Speiseplatten beladen waren. Sie boten Kieran frische und getrocknete Früchte, glasiertes Gebäck und mit Datteln und Nüssen gefülltes Brot, gekühlte Shrimps und Erbsen an. Er nahm sich kleine Portionen, da er sich zu unsicher fühlte, um zu essen. Die Leute an den Tischen unter ihm sprachen vertraut miteinander und klopften einander auf die Schultern. Von Zeit zu Zeit sah er aus dem Augenwinkel, wie ihn jemand aus der Menge beobachtete. Sobald er sich ihnen jedoch zuwandte, um sie sich näher anzusehen, hatten sie sich bereits wieder zu ihrem Nachbarn umgedreht und lachten fröhlich, als ob sie gerade einen Witz erzählt bekommen hätten.
Das alles hier ist ein Schauspiel, dachte er. Nichts davon ist echt.
Er erhob sich von seinem Stuhl, und augenblicklich flaute die falsche Fröhlichkeit ab. Jedes Augenpaar beobachtete genau, wie er über die Bühne zu Anne Mather ging, die am Kopf der Tafel saß und mit einer alten Frau sprach. Kieran bemerkte, wie zwei große Männer sich hastig vom Ende des Saals nach vorn bewegten und sich ihm dann diskret, aber einsatzbereit näherten. Er ignorierte sie, beugte sich so weit zu Mather herunter, dass er das Brot, das sie kaute, riechen konnte, und sprach in ihr Ohr: »Ich möchte
Weitere Kostenlose Bücher