Sternenfeuer
brachten ihn nach Hause!
Wo er sich nun schon so lange in ihrem Gewahrsam befand, hatte er geglaubt, dass er sie kannte. Nun war er sich nicht mehr so sicher. Er hatte erwartet, dass es Jahre dauern würde, bis sie für eine Expedition ins Broa-Territorium bereit wären, und nun bereiteten sie gleich eine ganze Flotte für den Sprung in den Uberlichtbereich vor. Eine solche List und Tücke hätte er ihnen wahrlich nicht zugetraut.
Andererseits wusste Sar-Say in seiner Eigenschaft als Philosoph, dass es immer Dinge geben würde, die sich seinem Verständnis entzogen, und damit würde er sich eben abfinden müssen. Wie zum Beispiel die seltsame Veränderung im Status von Captain Landon. Kurz nach der Besprechung war die Mitteilung erfolgt, dass Landon auf der langen Reise zur Himmels-Blume die Ruptured Whale und nicht die Magellan befehligen würde. Als Sar-Say Lisa um eine Erklärung für diesen plötzlichen Wechsel bat, sagte sie ihm, es läge daran, dass Michail Vasloff sie in der Whale begleiten würde. Weil Michail Vasloffs Status an Bord der PoleStar immer ein Rätsel für Sar-Say gewesen war, trug ihre Antwort auch nicht zu seiner Erleuchtung bei. Genauso wenig wie ihre Bemerkung zum Schluss der Unterhaltung: »Ich vermute, der Captain will ein Auge auf den alten Halunken haben.«
Diese Aussage hatte Sar-Say beunruhigt. Implizierte sie doch, dass Captain Landon gar nicht der eigentliche Herr der Expedition war, sondern Michail Vasloff - auch wenn er keinen offiziellen Status hatte, soweit Sar-Say das zu beurteilen vermochte. Diese seltsame Vorstellung war so kontraintuitiv, dass sie beinahe Sar-Say's positive Einstellung zunichte machte. Zum Glück hatte er ein ganzes Erdenjahr, in dem er die Geheimnisse der sozialen Organisation der Menschen zu ergründen vermochte. Denn so schwierig das Verständnis der Menschen auch war, er musste sie verstehen, wenn er seine eigenen Pläne verwirklichen wollte, nachdem sie die Zivilisation betreten hatten.
In der Zwischenzeit würde er ihre Spielchen mitmachen und Lisa bei ihren Bemühungen unterstützen, den anderen seine Sprache beizubringen. Er würde alles daransetzen, ihr Vertrauen zu erlangen - sogar bis zu dem Punkt, wo er scheinbar gegen seine ureigenen Interessen arbeitete. Falls sie ihm nämlich immer noch nicht vertrauten, wenn sie eins der äußeren Systeme fanden, wären alle seine sorgfältig ausgearbeiteten Pläne für die Katz.
Sar-Say ließ das interessante Universum auf sich wirken, in das er gefallen war, während er die Bojen der verschiedenen Raumschiffe der Flotte betrachtete. Ein Dutzend Schiffe hatte Neptun bereits vor zehn Stunden verlassen und im Formationsflug beschleunigt. Sie hatten schließlich die unsichtbare Linie überquert, die den Punkt markierte, bis zu dem die Betriebssicherheit des Sternenantriebs gewährleistet war, und bereiteten sich nun auf den Sprung vor.
Er sah, wie eine der fernen Bojen erlosch. Eben war das Schiff noch massiv und real, und im nächsten Moment war es spurlos verschwunden. Ein paar Minuten später vollführte ein anderes Schiff diesen »Verschwindibus«-Trick und dann ein drittes. Eine nach der anderen erloschen die Bojen am Himmel vor ihm.
Der Anblick faszinierte ihn. Und seine Aufregung wuchs mit jedem Start. Er zitterte förmlich, als ein durchdringender Alarm an Bord der Whale ertönte. Dann brach der Alarm ab und Dan Landons Stimme drang aus dem Lautsprecher: »An alle. Fertigwerden für Überlicht in fünf... vier ... drei... zwei... eins!«
Die Klangfarbe der Maschinen änderte sich plötzlich subtil, und plötzlich waren keine Sterne mehr hinter dem Sichtfenster. Jenseits des Schiffs war nur noch eine geisterhafte Schwärze.
Die Heimreise hatte begonnen!
TEIL II
Die andere Seite des Himmels
28
Nadine Halstrom stand am Fenster des Büros und ließ den Blick über die Stadtlandschaft unter sich schweifen. Der Schneefall hatte in Toronto in diesem Jahr schon früh eingesetzt, und eine puderzuckerartige weiße Schicht warf die Lichter der Stadt zu ihr herauf. Die Neuschneedecke verlieh der Szene eine idyllische und friedliche Anmutung; nicht zuletzt deswegen, weil der Sturm die hartnäckigen Feuer gelöscht hatte, die noch immer hier und da in der Stadt wüteten.
Es war mittlerweile zwei Wochen her, seit sie sich über das Infonetz an die Menschheit gewandt und verkündet hatte, dass sie nicht mehr allein im Universum seien. Sie hatte intensiv an ihrer Rede gefeilt und hielt sie für eine der
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