Sternenfeuer
besten, die sie jemals gehalten hatte. Das war auch notwendig gewesen. Die Psychologen waren sie noch einmal durchgegangen und hatten jede Wendung so fein abgestimmt, bis die Worte zwischen Vorsicht und Besorgnis, Zuversicht und Kompetenz optimal ausbalanciert waren.
Mit einer nüchternen Schilderung der Fakten des Erstkontakts im Neu-Eden-System hatte sie begonnen. Sie erläuterte in einer sachlichen Darstellung, dass einer der Scouts bei der Begegnung zerstört worden war, betonte aber, dass die Magellan ihn nur wenige Minuten später gerächt hatte. Sie rekapitulierte, wie die tapferen Männer und Frauen der Sternenforschung das übrig gebliebene außerirdische Schiff geentert und den einzigen Überlebenden entdeckt hatten.
An dieser Stelle war Nadine Halstroms Konterfei ausgeblendet und Bilder von Sar-Say in Gefangenschaft eingeblendet worden. Die Bilder waren nach dem Kriterium ausgewählt worden, die durchaus vorhandene Ähnlichkeit des Pseudoaffen mit einer Comicfigur hervorzuheben. Im Anschluss daran, was sie als »unseren Natur-Kurzfilm« bezeichnete, hatte die Kamera sich wieder auf die Welt-Koordinatorin konzentriert. Sie verkündete die schlechte Nachricht unter Wahrung größtmöglicher Contenance und wohldosierter Besorgnis. Sie berichtete den massenhaften Zuschauern, was Sar-Say über die broanische Souveränität enthüllt hatte, und betonte dann, dass es sich bislang nur um unbewiesene Behauptungen handelte. Sie wartete mit der alternativen Erklärung auf, dass Sar-Say vielleicht nur Märchen erzählte.
Nach einer effektvollen Pause, in der die Kamera sie in Großaufnahme zeigte, schaute sie ernst in die Linse und sagte: »Mitbürger von Sol. Dieser Außerirdische behauptet, dass irgendwo jenseits unseres kleinen bekannten Weltraum-Sektors ein großes interstellares Reich liege — ein Reich, das unsere Bestrebungen vielleicht nicht gutheißt. Unsere Wissenschaftler haben alle verfügbaren Beweise studiert und berichten, dass sie bisher nicht in der Lage seien, schlüssig und unabhängig voneinander zu bestätigen, was Sar-Say uns erzählt hat. Aus diesem Grund habe ich beschlossen, dass es am besten wäre, wenn wir die Wahrheit selbst herausfinden. Entsprechende Maßnahmen sind bereits veranlasst worden.
Vor zwei Wochen haben wir eine Expedition in die Nähe des Krebsnebels gestartet, der ungefähr 7000 Lichtjahre von hier entfernt ist. Dort wird man nach dieser sogenannten Broanischen Souveränität suchen, um den Dingen auf den Grund zu gehen ...«
Sie hatte einen beruhigenden Ton angeschlagen und in einer allgemeinen Begrifflichkeit all die Vorsichtsmaßnahmen geschildert, mit denen man verhindern wollte, dass die Broa von der Existenz der menschlichen Rasse beziehungsweise ihrer Heimatwelt erfuhren. Ihre Worte sollten Zuversicht stiften und die Gefahren herunterspielen. Sie schloss ihre Ansprache mit den folgenden Worten: »Seien Sie versichert, dass unsere Leute an Bord der Schiffe die Wahrheit herausfinden und sie uns mitteilen werden. Jedoch müssen wir alle uns in Geduld üben. Es sind 7000 Lichtjahre bis zum Krebsnebel und noch einmal 7000 Lichtjahre zurück. Ich möchte mich für alle verständlich ausdrücken: Das Licht, das wir heute von diesem Nebel sehen, begann seine Reise, bevor die erste Pyramide erbaut wurde. Es braucht Zeit, eine so weite Strecke zurückzulegen, und noch einmal so viel Zeit für die Heimreise. Wir müssten in etwa dreißig Monaten etwas von unserer Expedition hören.
Gute Nacht und möge Gott die Menschheit segnen!«
Es war eine ruhige Woche gefolgt, doch nach und nach quollen die verschiedenen Medien von Nachrichten über die Aliens schier über. Ein paar Tage nach Nadine Halstroms Ansprache eskalierte die aufgestaute Spannung. Der schlafende Vulkan der öffendichen Meinung stand kurz, vor dem Ausbruch; es fehlte nur noch der Auslöser für diesen Ausbruch. Dieses Ereignis trat am Abend des 6. Oktober vor dem New York Metropolitan-Verwaltungskomplex ein.
Es war Freitag, und die Straßen von Manhattan wimmelten von Menschen. Außer den üblichen Menschenmengen, die an einem Freitagabend die »Stadt, die niemals schläft« bevölkerten, fanden diesmal aber auch Demonstrationen statt. Der Umstand, dass die Leute nicht genau wussten, wofür oder wogegen sie überhaupt demonstrierten, trug auch nicht zur Verbesserung ihres Wohlbefindens bei. Immerhin verlief die Demonstration geordnet, wie schon an den drei Abenden zuvor. Die Polizei war zwar präsent,
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