Sternenfeuer
sie schon kurz davor war. Seufzend arbeitete sie sich unter Einsatz der Füße weiter vor, bis sie mit dem Kopf über die Biegung hinausragte.
Das insektoide Besatzungsmitglied musste Wartungsarbeiten im Schacht verrichtet haben, als der Druckabfall im Schiff auftrat. Sein Körper hatte die ausströmende Luft erst wie ein Pfropf blockiert und war dann wie ein Tischtennisball in einem Staubsaugerschlauch herumgewirbelt worden. Dann hatte er sich direkt vor der Biegung verkeilt. Der Mund des Wesens stand offen - im Todesschrei erstarrt oder vielleicht im letzten Versuch, die schnell dünner werdende Luft in die Lunge zu saugen. Es musste bei der Rutschpartie durch den Tunnel auch eine Kopfverletzung erlitten haben, denn ein Auge war aus der Höhle gequollen.
Bei der unerwarteten Entdeckung entfuhr Melissa ein spitzer Schrei, der über Funk abgestrahlt wurde. Dann erinnerte Melissa sich an nichts mehr, bis die Schreie ihres Partners das Rauschen des Bluts in ihren Ohren übertönt hatte. Emil hatte sie aus dem Tunnel geschleppt und seine Helmlampe auf ihre Gesichtsplatte gerichtet. Mit einem Frosch im Hals hatte sie ihm den Grund für den Schrei erklärt und Emil dann um Entschuldigung gebeten, weil sie ihn so erschreckt hatte. Ihre Wangen hatten vor Scham geglüht.
Eine Woche später folgte sie wieder dem schmalen Lichtkegel der Helmlampe ins dunkle Unbekannte. Diesmal war Hideki Furosawa, einer von Laura Dressers Experten, ihr Partner. Sie hatten den Auftrag, die verschiedenen Energieversorgungs-Systeme des Schiffs darzustellen. Als ein Besatzungsmitglied der Magellan kam es ihr zu, die Führung bei der Erkundung des unbekannten Terrains zu übernehmen. Trotzdem hätte sie sich viel lieber in ihre Koje an Bord des Raumschiffs gekuschelt.
»Warten Sie eine Sekunde, Miss Trank«, sagte Furosawa.
Seine Stimme hallte hohl in ihren Ohrhörern. »Ich glaube, wir sollten dort oben nach rechts abbiegen.«
»Sind Sie sicher, Mr Furosawa?«, fragte sie und leuchtete mit der Lampe den Gang aus. »Das Hauptkabel scheint aber nach links zu verlaufen.«
»Ich muss diesen Abzweig überprüfen«, erwiderte der kleine Japaner, nachdem er den an der Brust des Anzugs befestigten tragbaren Computer konsultiert hatte. Das dunkle Glühen der Karte wurde als eine Reihe farbiger Linien auf seiner Gesichtsplatte reflektiert.
»Also nach rechts«, erklärte Melissa sich einverstanden.
Vorsichtig leuchtete sie den Nebengang mit der Lampe aus. Wie gewöhnlich war der Strahl unsichtbar; nur der wandernde Punkt zeigte die Stelle an, auf die der Strahl gerade gerichtet war. Zwei Türen, die große Ähnlichkeit mit Druckschotten in einem menschlichen Raumschiff hatten, waren in die Wände des Gangs zurückgefahren. Sie befanden sich im gleichen Öffnungszustand wie alle anderen Doppel-Türen, die sie an Bord dieses Geisterschiffs entdeckt hatten.
Melissas Punkt erreichte das Ende des Gangs und verschwand. Aber nicht etwa in einer Türöffnung oder hinter einer anderen Begrenzung; da war einfach ... nichts. Sie starrte für eine Weile in die unheimliche Finsternis, bevor ein Stern im Blickfeld erschien.
»Verdammt, sehen Sie sich nur dieses große Loch an!«
»Ich sehe es, Miss Trank«, ertönte die Antwort. In seinen Worten schwang ein leiser Hauch von Tadel mit, als ob Furosawa sie daran erinnern wollte, dass eine richtige Lady nicht fluchte.
Sie arbeiteten sich vorsichtig zum Ende des Gangs vor. Aus der Nähe war es offensichtlich, dass sie aus einem großen Loch im Bug des zylindrischen Schiffs schauten - wobei der Bug das der üblichen Schubrichtung direkt entgegengesetzte Ende war. Die größten Schäden hatte der Broa-Rächer dem Schiff achtern zugefügt - was zu erwarten gewesen war, denn die Ruptured Whale war schließlich vor dem Angreifer geflohen. Ein Loch so weit vorn überraschte sie allerdings.
Melissa befestigte ihre Sicherheitsleine an einem stabilen Pfosten und sorgte dafür, dass Furosawa ihrem Beispiel folgte, bevor sie ihre Erkundung fortsetzten. Sie schwebten zum Ende der Leinen und stellten fest, dass sie gerade eben das Ende des Gangs erreichten. Dahinter klaffte ein Loch von gut drei Metern Durchmesser.
»Das ist kein Gefechtsschaden«, sagte der Ingenieur nach einer kurzen Inspektion.
»Stimmt«, erwiderte Melissa. »Dafür ist es verdammt zu rund. Was ist Ihrer Meinung nach geschehen?«
»Es sieht so aus, als ob eine Ladeluke weggeflogen ist«, sagte Furosawa. »Seltsam.«
»Wieso?«
»Dieses Schiff ist -
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