Sternenflut
Stränge der Treibalgen schwebten über ihm.
Rosiger Schaum breitete sich im Zentrum der kleinen Senke aus, und rote Streifen zogen sich wie wehende Fahnen in die Richtung der vorherrschenden Strömung. Mittendrin, verheddert in einem Gewirr von zerfetzten Geschirrteilen, trieb der Leichnam eines jungen AmicusNeo-Fin mit dem Bauch nach oben. Er war teilweise schon verstümmelt, und an ihm zupften und zerrten die geröteten Kiefer eines Riesendelphins. Eines Riesendelphins? Wie hatte es nur geschehen können, daß er dies während der langen Zeit seit ihrem Start von der Erde nicht bemerkt hatte? Verzweifelt ließ er einen frischen Atmer an seinem Geschirr einrasten und atmete keuchend, während er den Killer beobachtete und belauschte. Sieh dir doch seine Schattierung an! dachte er.
Sieh sie dir an, die kurze Schnauze, die mächtigen Zähne, die kurze, scharfe Brustfinne! Hör ihn dir an!
K’tha-Jon grunzte behaglich und riß ein Stück aus Akkis Flanke. Die Brandwunde an seiner linken Seite schien der Riese ebensowenig zu bemerken wie den Bluterguß, der sich langsam an der Stelle ausbreitete, wo ihn Akkis letzter, verzweifelter Rammstoß getroffen hatte. Das Monstrum war sich seiner Anwesenheit bewußt. K’tha-Jon schlang seinen Bissen faul hinunter und stieg dann zur Wasseroberfläche auf, um zu atmen. Als er wieder herunterkam, sah er Keepiru an.
»Nun, Pilot?« murmelte er zufrieden.
Keepiru sprach Anglisch, wenngleich der Atmer seine Worte gedämpft klingen ließ. »Eben habe ich ein Monstrum zur Strecke gebracht, K’tha-Jon, aber deine Entartung ist eine Schande für uns alle!« K’tha-Jon brachte seinen Hohn in einer Reihe schriller Schnaufer zum Ausdruck. »Du glaubst, ich sei regressiv, wie dieser lächerliche Stenos Moki, wasss, Pilot?«
Keepiru konnte nur den Kopf schütteln. Er konnte nicht sagen, wofür er den Bootsmann hielt.
»Spricht denn ein regressiver Delphin so gut Anglisch wie ich?« spottete K’tha-Jon. »Oder kann er in dieser Weise logisch argumentieren? Hätte ein regressiver Tursiops oder wenigstens ein reinrassiger Stenosss ein luftatmendes Beutetier mit solcher Entschlossenheit verfolgt... und mit solcher Befriedigung? Es stimmt schon, die Krise der letzten Wochen hat et-wasss aus meinem tiefsten Innern heraufbrechen lassen. Aber kannssst du mir ernstlich zuhören und mich dann einen regressiven Delphin nennen?«
Keepiru starrte auf den rosaroten Schaum, der das stumpfe, kraftvolle Maul des Riesen bedeckte. Akkis Leichnam trieb langsam mit der Strömung davon. »Ich weiß, was du bist, K’tha-Jon.«
Keepiru wechselte zu Trinär.
Kaltes Wasser brodelt
und dein Schrei läßt es schäumen
Blutig rote Gier
tost in deinen Träumen
Harpunen meuchelten
die Wale
Die Netze von Iki
zerrten uns aufs Land
Doch dich allein
fürchteten wir des Nachts
Dich allein –
...Orca!
K’tha-Jon riß zufrieden den Rachen auf, als nehme er eine Beifallskundgebung entgegen. Er stieg auf, um zu atmen, und kam grinsend wieder herunter, den Abstand zu Keepiru langsam verringernd.
»Ich habe die Wahrheit schon vor einer Weile erraten. Ich bin eines der kossstbaren Experimente eures geliebten Menschen-Patrons Ignacio Metz. Dieser Tor hat, bei all seiner Dummheit-t, eine große Leistung vollbracht-t. Ein paar der anderen, die er außer mir in die Crew der Streaker einschmuggelte, sind in der Tat regressiv oder gar verrückt geworden. Aber ich bin ein Erfolg...«
»Du bist eine Katastrophe!« prustete Keepiru, und nur der Atmer hinderte ihn daran, andere, treffendere Ausdrücke zu benutzen.
K’tha-Jon kam ein paar Meter näher heran, und Keepiru wich unwillkürlich zurück. Der Riese hielt inne; befriedigtes Klicken drang aus seiner Stirn. »Bin ich das, Pilot? Kannst du, ein schlichter FischFresser, überhaupt verstehen, was diejenigen bewegt, die größer sind als du? Bist du würdig, dein Urteil über einen zu fällen, dessen Ahnen an der Spitze der ozeanischen Nahrungskette standen? Dessen Ahnen die Richter des Meeres für dich und deinesgleichen waren?«
Keepiru hörte kaum noch zu, denn er sah voller Unbehagen, wie der Abstand zwischen ihm und dem Ungeheuer immer kleiner wurde.
»Du b-bildest dir z-zuviel ein. Du hast nichts als ein paar GenEinschübe von...«
»Ich bin ORCA!« schrie K’tha-Jon, und der Schrei gellte durch das Meer wie ein Fanfarenstoß. »Der äußere, oberflächliche Körper ist nichts ! Das Gehirn, das Blut , das ist es, was zählt-t! Höre mich und wage
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