Sternenschweif 23 - Liebeszauber
tun, um ihr Einhorn durch den dämmrigen Wald zu lenken. Auf geheimen, verschlungenen Pfaden trabte er Richtung Rush River. Zweige schlugen Laura ins Gesicht und sie wünschte sich, dass es bald dunkel genug wäre, damit sie endlich abheben und den Rest der Strecke im Flug zurücklegen könnten. Sie spürte förmlich, wie die Minuten zerronnen. Und inzwischen konnte Flecki schon sonst etwas zugestoßen sein!Ungeduldig spornte sie Sternenschweif an.
Im schummrigen Licht glänzte Sternenschweifs gewundenes Horn hell. Jedes Mal, wenn sie an eine Weggabelung kamen, lenkte es sie in die richtige Richtung. Laura war erleichtert, dass die Magie offenbar auch funktionierte, wenn Sternenschweif nicht bei der Sache war. Denn dass er in Gedanken woanders war, merkte sie deutlich. Immer wieder musste sie ihm korrigierende Hilfen geben, damit er auf dem schmalen Pfad blieb.
Samantha ist so liebesblind, dass sie sogar ständig gegen irgendwelche Türrahmen und Schänke rennt, hörte Laura in Gedanken wieder Jessicas Stimme. Blind vor Liebe. War Sternenschweif wirklich verliebt?
Da tauchte unmittelbar vor ihnen aus dem Schummerlicht ein quer liegender Baumstamm auf.
„Pass auf!“, schrie Laura.
Unter ihr zuckte Sternenschweif zusammen. Vor Schreck schien er seinen rasanten Trab nicht bremsen zu können. Im letzten Moment hob er ab, um über den Baumstamm zu setzen.
Laura schloss die Augen. Das war knapp … so knapp.
Schon spürte sie, wie es sie aus dem Sattel riss und sie durch die Luft flog. Etwas Hartes streifte ihren linken Arm. Dann landete sie auf dem nadelbedeckten Waldboden.
Laura dröhnte der Kopf. Ihr linker Arm brannte vor Schmerz. Sie brauchte einigeSekunden, um wieder ganz zur Besinnung zu kommen. Sternenschweif hatte sie im Sprung abgeworfen. Laura spürte, wie Tränen der Wut und der Verzweiflung ihre Wangen hinabkullerten.
„Laura“, hörte sie Sternenschweifs warme Stimme an ihrem Ohr. Zärtlich strich er mit seinem Horn über ihre Schultern. „Laura, ist dir etwas passiert?“
Laura blickte auf. Als sie in seine lieben Augen blickte, schmolz ihr Ärger dahin. „Es geht schon wieder“, schniefte sie. „Erklär mir nur bitte, wie du den Baumstamm übersehen konntest. Er liegt doch breit über dem Weg.“
„Ich sagte es dir schon, Laura. Ich bin müde.“
„Aber das geht doch gar nicht. Du bist nie müde. Das ist Teil deiner Magie!“, rief Laura.
Sternenschweif wich ihrem forschenden Blick aus. „Lass uns weiter nach Flecki suchen“, sagte er schnell. „Ich glaube, inzwischen ist es dunkel genug, um fliegen zu können.“
Laura rappelte sich auf und rieb den schmerzenden Arm. „Du hast recht“, sagte sie dann. „Also, flieg zu Flecki, Sternenschweif. Aber bitte pass auf, dass du mich nicht wieder abwirfst. Einen Sturz aus dem Nachthimmel könnte mir mein Körper wirklich übel nehmen.“
In der Luft kamen sie viel schneller voran. Und doch nicht schnell genug. Als sie die Wiese am Rush River erreichten, war Flecki nirgends zu sehen.
„Sternenschweif, flieg niedriger!“, rief Laura gegen den Flugwind an. „Wir müssen die Ufer nach ihm absuchen!“
Gehorsam ging Sternenschweif in denSinkflug, bis seine Hufe beinahe die Wellen des tosenden Flusses erreichten.
„Flecki!“, schrie Laura. „Flecki, wo bist du?“
Endlose Sekunden vergingen, bis Laura meinte, gegen das Rauschen des Flusses ein leises Winseln zu vernehmen.
„Ich glaube, ich höre ihn, Sternenschweif“, sagte sie aufgeregt.
„Es kam von dort drüben“, meinte das Einhorn. Rasch änderte es die Flugrichtung.
„Da! Ich sehe ihn!“, schrie Laura. „Oh, Sternenschweif, er ist schon ins Wasser gefallen!“
Winselnd und kläffend hing der kleine Dalmatiner an einem abgerissenen Ast, der sich zwischen zwei Felsen verklemmt hatte. Nurwenige Meter bevor der Fluss in den Abgrund stürzte.
„Wenn ihn seine Kräfte verlassen, wird er von der Strömung mitgerissen und den Wasserfall hinuntergespült. Was sollen wir tun, Sternenschweif?“, fragte Laura verzweifelt.
Sternenschweif landete sacht an einer kleinen Bucht neben den Felsen. Der Fluss rauschte hier so sehr, dass sie ihre Stimmen heben mussten, um sich verständigen zu können.
„Es ist zu gefährlich, in den Fluss zu springen, Laura“, gab Sternenschweif zu bedenken. „Er wird uns genauso mitreißen wie den kleinen Hund.“
„Flecki darf nicht sterben“, sagte Laura. Entschlossen nahm sie Sternenschweif die Zügelab und band sich ein Ende an den
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