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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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und sammelte sich in einem Felsbecken. Das Gras war von feiner Struktur, es war dick, weich und grün.
    Keva sank in den Schatten der Höhle hinab und wickelte das Bettzeug um sich, als könnte es sie vor den Augen verbergen, die sie noch immer in ihrem Rücken spürte. Sie wußte, daß es in der Ebene Raubtiere gab, die auf die Rotmähnenherden Jagd machten. Sie erinnerte sich bruchstückweise an Pars Geschichten über schleichende, mit scharfen Krallen bewehrte Geschöpfe mit bernsteinfarbenen Augen und kurzen Haarlocken, die gerne mit ihren Opfern spielten, bevor sie zuschlugen. Vielleicht war, was sie zur Zeit beobachtete, eines davon; ein Minx der Ebenen, der seinen Appetit steigerte, indem er ihr geduldig nachspürte.
    Oder hatten die Wächterinnen, die auf die Rotmähnenherden aufpaßten, sie gesehen und jemanden aufgestellt, der sie beobachtete? Keva sah angespannt ins Dunkel. Jeden Sommer trieben die Wächterinnen ihre Herden auf dem Weg zu den Seengebieten über den Warmstrom. Im letzten Jahr hatte sie gegen Okis Weisung von den Bäumen aus zugesehen und Frauen erblickt, hochgewachsen und in dunkelbraunen Umhängen, die dort gestanden hatten, bedrohlich und stumm. Sie hatten zurückhaltend mit den Fischerleuten gesprochen und niemandem erlaubt, sich den Tieren, die sie trieben, zu nähern.
    Hatten die Wächterinnen sie erblickt und nahmen an, sie wäre gekommen, um Rotmähnen zu stehlen? Keva versuchte sich eine dieser Frauen vorzustellen, wie sie sie schweigend und wachsam verfolgte. Das war nicht sehr schwer. In ihren Kapuzenumhängen schienen die Wächterinnen für diese unbemerkte Tätigkeit wie geschaffen zu sein. Dennoch war es schwierig, sich eine Wächterin vorzustellen, die jedesmal, wenn Keva sich umdrehte, mühelos unsichtbar wurde. Bestimmt bildete sie es sich nur ein; bildete sich Augen ein, die auf ihr ruhten. Die Fischerleute hatten den Wächterinnen nie die Überquerung des Warmstroms verboten. Warum also sollten die Wächterinnen ihr die Durchreise über die Ebene verbieten?
    Und wenn sie ihnen begegnete und ihnen sagte, weshalb sie gekommen war, weshalb sollten sie dann nicht ihre Fragen beantworten? Hatten sie einen dunklen Mann gesehen, der auf einem weißen Tier ritt, das aussah, als hätte man es aus ihren Tieren veredelt: hochgewachsen im Gegensatz zu dem stämmigen Körperbau der Rotmähnen, glattfellig im Gegensatz zu deren Zotteligkeit und graziös, verglichen mit deren Schwerfälligkeit? Vielleicht hatten sie ihn vor Jahren mit einem Kind gesehen? Oder, falls sie ihn seitdem nochmals gesehen hatten, konnten sie ihr sagen, welche Richtung er genommen hatte?
    Es gab für die Wächterinnen keinen Grund, ihr die Antwort zu verweigern. Und wenn sie ihr nichts sagen konnten, mußte sie ihre Fragen mit in die Berge nehmen. Keva fröstelte bei diesem Gedanken und wünschte sich zu wissen, welche von Pars Geschichten wahr und welche Erfindungen seiner Phantasie waren; sie wünschte sich, erraten zu können, wieviel von dem, was Oki über die Barohnas erzählt hatte, den Tatsachen entsprach, und wieviel davon auf Bosheit zurückzuführen war. Sie wollte auch verstehen, weshalb sie so düstere Ahnungen in bezug auf die Berge fühlte. War es nur wegen der Dinge, die Oki ihr erzählt hatte?
    Keva rieb sich die Arme warm und zog das Bettzeug enger um ihren Körper. In dieser Nacht schlief sie nicht gut, trotz des leisen Murmelns von fließendem Wasser.
    Als sie am nächsten Morgen Fußabdrücke neben der Quelle fand, verließ sie auch der Appetit. Klauenbewehrte Füße hatten sie hinterlassen, fast so groß wie ihre, aber mit sechs weit gespreizten Zehen. Die Abdrücke verliefen in zwei Reihen, aber an anderen Stellen war das Gras niedergetreten worden, und Keva war nicht sicher, ob sie es in der vorigen Nacht zertrampelt hatte, oder ob es das Tier gewesen war, das seine Spuren hinterlassen hatte.
    Aber sie wußte genau, daß am vorigen Abend keine Abdrücke an der Quelle gewesen waren.
    Ein Minx? Mit gerunzelter Stirn sah sie Packen und Beutel durch. Sie fand nur ein paar getrocknete Beeren und einen halben Brotfladen, aber das alles war auch am Abend vorher da gewesen. Auch die Reservekleidung oder das Bettzeug waren nicht durcheinandergebracht worden. Was immer für ein Wesen seine Spuren hinterlassen haben mochte, es hatte sie nicht beraubt.
    Sie zog sich vom Quell zurück und versuchte, sich zu erinnern, was sie über die Raubtiere der Ebenen wußte. Alle ihre Kenntnisse stammten aus Pars

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