Sternenwind - Roman
aufzubrechen?«
Bryan nickte. »Was hätten wir sonst tun sollen?«
»Zum Beispiel hättet ihr zu mir oder Nava kommen können. Es scheint nicht richtig zu sein, dass Alicia eingesperrt wurde, aber ihr hättet Hilfe holen sollen. Es hätte einen besseren Eindruck gemacht, wenn wir der Sache auf den Grund gegangen wären.«
Bryan und Liam schwiegen dazu. Sie kannten Tom nicht. Selbst Joseph und ich kannten ihn nur oberflächlich, und ich wusste nicht einmal, ob wir ihm wirklich vertrauen konnten. Nur dass er bislang freundlich zu uns gewesen war. Trotz seines tadelnden Blicks stand ein anerkennendes Funkeln in seinen Augen – zumindest ein Pluspunkt.
»Kann ich heute Nacht hierbleiben?«, fragte Alicia.
Tom kaute auf der Unterlippe. »Man behauptet, du hättest jemanden ermordet? Heute Abend? Wen?«
»Nein. Vor dem Erdbeben. Varay. Ruth erzählt ihren Leuten, ich hätte ihn getötet, obwohl sie mich nie direkt angeklagt hat.« Tränen schimmerten in ihren Augen. »Ich habe Angst.«
Die Tür ging auf, und ich hörte Navas schnelle Schritte im Korridor. »Hallo?« Sie steckte den Kopf durch die Tür und riss die Augen auf, als sie sah, wie wir uns zu sechst in dem winzigen Zimmer drängten. Dann bemerkte sie Alicia. »Was machst du hier?« Sie kam näher und beugte sich über Alica. »Wobei wurdest du verletzt?«
Tom nahm sie am Arm. »Lass uns in die Küche gehen. Ich werde dir alles erzählen.« Er drehte sich zu Bryan und Liam um. »Und ihr beiden solltet lieber nach Hause gehen. Unauffällig. Dann werden wir uns überlegen, was wir tun können.«
Bryan sah ihn völlig ruhig an. »Ich würde lieber bleiben. Jemand muss auf Alicia aufpassen.«
»Geh nach Hause.« Toms Tonfall ließ keinen Zweifel, dass er nicht darüber diskutieren wollte. »Ich weiß noch nicht, was wir tun werden, aber wenn ihr alle hier seid, könnte das den Eindruck erwecken, wir würden Partei ergreifen.«
Liam zerrte vorsichtig an Bryans Arm. Doch Bryan wollte sich nicht von der Stelle rühren. Ich hielt den Atem an und wünschte mir, er würde Tom gehorchen. Liam sah mich an und sagte: »Akashi sucht vielleicht schon nach mir. Er will bestimmt wissen, was geschehen ist.«
Bryan stand reglos da.
Liam versuchte es erneut. »Komm mit. Akashi dürfte genauso an deiner Meinung wie an meiner interessiert sein.«
Bryan schüttelte Liams Hand ab und ging neben meinem Bett, vor Alicia, in die Knie. Er flüsterte ihr etwas ins Ohr. Dann erhob er sich und nickte Liam zu. Nava und Tom zogen sich von der Tür zurück, um ihn durchzulassen. Bryans Schultern und Nackenmuskeln waren vor Wut angespannt. Liams Schritte waren selbstsicher, und er hielt den Kopf hoch erhoben.
Joseph blickte zur Tür, durch die die beiden verschwanden. Er hatte nichts gesagt, aber in seinen Augen schimmerte etwas von der gleichen Wut, die Bryan nur noch mit Mühe unterdrücken konnte. Auch ich war zornig, aber keiner von uns konnte es sich erlauben, dieser Regung nachzugeben. Nicht jetzt.
Nava ging auf und ab, ihre Lippen waren eine dünne Linie. »Würde mir jetzt bitte jemand erklären, was hier los ist?«
Alicia setzte sich im Bett auf und strich sich erneut das Haar aus dem Gesicht. Es schien sich aus eigenem Willen zu bewegen, sie verhüllen zu wollen, und sie musste sich anstrengen, ihr Gesicht freizuhalten. Ihre Augen waren rot und schwarz gerändert. »Ich will es dir erzählen. Geht nicht weg, um hinter meinem Rücken über mich zu reden.«
Nava setzte sich auf das Fußende des Betts und beobachtete Alicia aufmerksam. Tom, Joseph und ich standen im Halbkreis hinter Nava. Ich fragte mich, ob Alicia wusste, dass Nava uns nicht mochte und uns Misstrauen entgegenbrachte, aber ich sah keine Möglichkeit, sie zu warnen.
Alicia erzählte ihre Geschichte noch einmal von Anfang an, ähnlich wie vor ein paar Stunden unten am Fluss. Sie fügte nur hinzu, dass man sie unmittelbar danach im Wagen eingesperrt und ihr verboten hatte, am Festmahl teilzunehmen. Diesmal weinte sie nicht. Stattdessen schimmerte gelegentlich ihre Wut durch, sowohl auf ihrem Gesicht als auch in ihren Worten.
Nava und Alicia wussten noch nichts von unserem Treffen. Also mischte ich mich ein, sobald Alicia mit ihrer Geschichte fertig war. »Wir haben mit Paloma und Akashi über die Gerüchte gesprochen. Sie waren der Meinung, dass Alicia die Initiative ergreifen und Ruth vorwerfen sollte, den Leuten Lügen zu erzählen. Damit die Sache hier geklärt wird, wo sich der Stadtrat damit befassen
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