Sternenwind - Roman
deshalb die ganze Zeit neben dir gesessen, um dir genug Sicherheit zu geben, dass du dich aus der Welt ausklinken kannst?«
Josephs Hände wanden sich wieder, in kleinen hektischen Bewegungen. »Nur … nur, wenn ich richtig tief eingetaucht bin. Wenn ich einem Faden gefolgt bin, habe ich nicht den Kontakt zur Welt verloren. Oder zwei oder drei Fäden. Aber wenn ich so viele wie möglich verfolgen wollte, wenn ich völlig eintauchen wollte, war es wichtig, dass Chelo an meiner Seite ist.«
Tom nickte. »Gut. Aber ein Faden war kein Problem, keine große Bedrohung?«
Joseph nickte mit bestürzter Miene.
Paloma wandte sich an Kayleen. »Wie viele Fäden spürst du hier?«
Kayleen schloss wieder die Augen und senkte den Kopf, so dass ihr das Haar ins Gesicht fiel. »Im Moment nur einen. Aber nach mehr habe ich auch nicht gesucht. Nur nach den Diagnosedaten. Falls es noch andere Ströme gibt, zum Beispiel meteorologische oder seismographische Daten, wären es separate Fäden.« Sie schwieg eine Weile, als sie sich erneut auf das Netzwerk konzentrierte. »Soweit ich erkennen kann, gibt es hier nichts anderes, was noch funktionieren würde.« Sie blickte zu Joseph hinüber. »Selbst wenn, kann ich nicht mehr als höchstens drei Datenströme gleichzeitig überblicken oder kalibrieren. Joseph kann mit Dutzenden arbeiten.«
Joseph runzelte die Stirn. Er kam ins Schwitzen, obwohl eine leichte Brise vom See zu uns wehte.
Tom seufzte. »Okay. Wir müssen nicht in diesem Moment die ganze Arbeit machen. Chelo, könntest du hierbleiben, während die anderen losgehen, um Feuerholz zu suchen und die Umgebung zu erkunden?«
»Klar«, sagte ich.
Tom sah Alicia an. »Alicia – du bist eine Vagabundin. Kannst du die anderen führen? Dafür sorgen, dass ihr zusammenbleibt?«
Alicias Mund verzog sich zu einem erstaunten »O«. Ich hätte eine komplette Mahlzeit darauf verwettet, dass sie noch nie zuvor darum gebeten worden war, die Verantwortung für irgendetwas zu übernehmen. »Nur um Feuerholz zu suchen?«, fragte sie. »Nur für einen kurzen Zeitraum?«
»Nur um Feuerholz zu suchen«, bestätigte Tom lächelnd. »Nur für einen kurzen Zeitraum.«
Paloma sah Alicia an. »Möchtest du, dass ich gehe?«
Alicia schüttelte ernst den Kopf. »Ich kann es machen. Wir werden bald zurück sein.«
»Sei vorsichtig«, sagte Tom. »Höchstens eine halbe Stunde. Benutz den Ohrempfänger, wenn du uns brauchst.«
Alicia legte eine Hand ans Ohr, in dem das winzige Kommunikationsgerät steckte. Es waren seltene Artefakte von der Weltenreise , die Artistos nicht nachbauen konnte. Alicia lächelte und erhob sich. Die anderen folgten ihr.
Paloma und ich saßen schweigend da und blickten ihnen nach, als sie sich über die Lichtung entfernten, Alicia an der Spitze, gefolgt von Kayleen und Joseph. Die Alarmanlage gab drei kurze Piepser von sich, um anzuzeigen, dass sie die Grenze nach draußen überschritten hatten. Nachdem sie aus unserem Blickfeld verschwunden waren, drehte sich Tom zu mir um. »Chelo, weißt du, wie es funktioniert?«
»Ich kann es nicht. Ich habe nicht die nötigen genetischen Modifikationen, um Datenströme lesen zu können.«
»Ich habe Kayleen sehr lange beobachtet«, sagte Paloma ruhig, »während sie versucht hat, es herauszufinden. Sie nennt es ›Blut, Knochen und Hirn‹, sie singt diese drei Worte, wenn sie Daten lesen will. So fühlt es sich für sie an. Es beginnt wie Herzschlag, den sie immer tiefer spürt, bis er in ihrem ganzen Körper ist. Erst dann kann sie es wahrnehmen und verstehen. Aber ich glaube, in Wirklichkeit läuft es über ihr Nervensystem.« Sie seufzte. »Ich habe gründliche Recherchen angestellt. In den Chrysops-Datenbanken finden sich Informationen über diese Fähigkeit. Dort wird es als ›den Wind lesen‹ bezeichnet. Ansonsten heißt es nur, dass es eine weit verbreitete Genmodifikation ist. Nicht, wie man es macht oder ob es weitervererbt wird. Ich vermute, man muss damit geboren werden. Ich glaube nicht, dass es eine Fähigkeit ist, die man nachträglich implantieren kann. Nicht wie man seine Hautfarbe oder Körperkraft ändern kann, wenn man bereit ist, sich modifizieren zu lassen. Das ist auch schon alles, was ich darüber weiß.« Sie schürzte die Lippen. »Unsere Vorfahren haben uns starke Einschränkungen auferlegt, als sie beschlossen, keine wissenschaftlichen Informationen über Genmodifikationen in unsere Datenbanken aufzunehmen. Ich vermute, sie wollten uns nicht in
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