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Sternenwind - Roman

Sternenwind - Roman

Titel: Sternenwind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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vielleicht darauf angewiesen waren, dass er es in Zukunft erneut tat. Falls dieser Ausflug keinen Erfolg zeigte. Falls er es dann noch konnte. Ich schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. Wir mussten unsere Zuverlässigkeit beweisen, nicht unsere Gerissenheit. Ich nahm Josephs Hand. »Vielleicht bekommen wir den Zugang als Belohnung.«
    Er sah mich mit einem ironischen Grinsen an. »Falls ich überhaupt noch zu irgendwas imstande bin.«
    Ich drückte seine Hand. »Ich bin stolz auf dich, weil du es versuchen willst.«
    Tom hatte neben den Baumstümpfen eine Decke auf dem Boden ausgebreitet. »Hier empfängt der Datenmonitor ein starkes Signal, also müsste es gehen. Außerdem möchte ich dem Waldrand nicht zu nahe sein.« Tom setzte sich auf einen Stumpf, von wo er mithören konnte, was wir sagten, aber er war trotzdem weit genug entfernt, um uns nicht zu stören. Er blickte zum See, als wollte er uns das Gefühl geben, gar nicht anwesend zu sein.
    Joseph streckte sich auf der Decke aus, und ich hockte mich neben ihn auf einen niedrigen Baumstumpf, nahe genug, um ihn berühren zu können. In seinen Augen stand ein ängstliches Funkeln, aber er schloss sie gehorsam. Er lag völlig ruhig da, und das Einzige, was sich an ihm bewegte, war sein Brustkorb, der sich im Rhythmus seiner Atemzüge hob und senkte. Und seine zuckenden Augenlider. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und die andere auf die Wade, damit er spürte, dass ich bei ihm war.
    Seine Lippen formten die Worte »Blut, Knochen und Hirn«, und plötzlich fühlte sich seine Körperhaltung richtig an, genau wie sonst, wenn er es bei den tausend Malen getan hatte, als wäre er ein kleines Stück von mir entrückt. Eine leichte Brise wehte mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ein Lächeln spielte um Josephs Lippen. Dann diktierte er mir die Diagnosedaten: »Er sieht die anderen Knoten, insgesamt zwei, aber nur vage. Kriegt keine Verbindung. Die Abstimmung der Protokolle klappt nicht. Das Erstversagen fand am Tag des Erdbebens statt.« Er riss die Augen auf, erzitterte und ballte die Hände zu Fäusten.
    Dann setzte er sich auf, mit unruhigem Blick, die Lippen zu einer dünnen Linie zusammengepresst. »Verdammt, Chelo, ich konnte nicht länger bleiben. Aber ich bin reingekommen. Ich habe es geschafft.« Er wirkte verstört. »Die Diagnosedaten waren in meinem Kopf, wie sonst auch, doch dann … bin ich einfach rausgefallen.«
    »Du hast den Tag des Erdbebens erwähnt«, flüsterte ich.
    Er nickte. »Ich weiß. Ich bin … einfach geflüchtet. Plötzlich hatte ich keine Verbindung mehr, konnte nichts mehr hören.«
    Tom wandte sich uns beiden zu. »Kannst du es noch einmal probieren?«
    Joseph zupfte am Gras zwischen seinen Beinen. Er klang verbittert. »Ich werde es wohl müssen, nicht wahr? Darum geht es doch eigentlich bei diesem Ausflug.« Er blickte mit unmutigem Ausdruck zu Tom auf. »Nicht um die Reparatur des Netzwerks, sondern um die Reparatur von Joseph, damit er wieder auf Befehl funktioniert.«
    Er hatte nur zum Teil recht. »Nein, Joseph«, sagte ich. »Nicht nur darum. Es geht auch darum, dass Alicia ihre Freiheit spürt, dass wir eine Weile aus der Stadt raus sind. Und das Netzwerk muss repariert werden, ob du nun dabei hilfst oder nicht. Was glaubst du, warum Kayleen und Paloma mitgekommen sind?«
    Dazu sagte er nichts.
    Ich erinnerte mich an mein Gespräch mit Nava. Aber wie sollte ich es anstellen, Joseph wieder auf Kurs zu bringen? »Also geht es nicht ausschließlich um dich. Aber dies ist deine besondere Begabung. Dazu wurdest du modifiziert.«
    »Ich habe nicht darum gebeten, modifiziert zu werden.«
    Das war etwas Neues. Ich hatte schon des Öfteren den gleichen Gedanken gehabt, wahrscheinlich wir alle, aber ich hatte noch nie gehört, wie Joseph ihn laut ausgesprochen hatte. »Wir sind, was wir sind. Es wäre sinnlos, es sich wegzuwünschen.«
    Er legte sich wieder hin und schloss die Augen, um erneut Kontakt zu bekommen. Hier draußen in der Wildnis wirkte er wie ein kleines Tier, das von Tom und mir vor Raubtieren beschützt werden musste.
    Drei weitere Versuche, und jedes Mal zog er sich kurz darauf wieder zurück. Beim vierten Versuch fand er den Datenstrom gar nicht mehr. Er stand auf und faltete die Decke zusammen, ohne Tom oder mich anzusehen.
    Mein Magen knurrte, und mein Schatten war so lang geworden, dass er Toms berührte. Wolken sammelten sich im Osten, türmten sich hinter dem gegenüberliegenden

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