Stets Zu Diensten, Mylady
in der Stadt? Warum reisen wir dann nicht nach Inglebury?”
“Ihrem Landsitz in Yorkshire?”, fragte er und nickte zustimmend.
“Dann sind wir uns ja einig”, sagte sie abschließend. “Wir regeln unsere Angelegenheiten hier in London und brechen so schnell wie möglich nach Yorkshire auf.”
Rebecca blieb noch einen Augenblick stehen, als wollte sie etwas sagen, doch dann schenkte sie ihm eines ihrer seltenen bezaubernden Lächeln und ließ ihn seinen Brief zu Ende schreiben.
Zwei Wochen später befand sich das Ehepaar Shafto bereits auf dem Weg nach Inglebury, dem Landsitz der Familie Rowallan. Sie waren bei starkem Regen in London abgefahren, und alle Hoffnung, das Wetter könne sich auf ihrer Reise nach Norden bessern, erwies sich als trügerisch. Im Gegenteil, zu den heftigen Wolkenbrüchen gesellten sich schon bald Blitz und Donner, und der Wind frischte zu einem solchen Sturm auf, dass selbst die schwere Reisekutsche von den schlimmsten Böen bedenklich durchgeschüttelt wurde.
“Dieser anhaltende Regen ist wirklich furchtbar”, beklagte sich Rebecca, die normalerweise nicht leicht aus der Fassung zu bringen war. “Und Gewitter machen mir zwar keine Angst, ich kann aber auch nicht behaupten, dass ich sie genieße.”
Während sie sprach, zuckte ein Blitz über den beinahe nachtschwarzen Himmel und erleuchtete kurzzeitig das Innere der Kutsche. Unmittelbar darauf folgte ein polternder Donnerschlag. Es war erst früher Nachmittag, doch hätte man ohne Schwierigkeiten das trübe Dämmerlicht für eine fortgeschrittene Abenddämmerung halten können.
Die meiste Zeit erduldeten Mr und Mrs Shafto diese beschwerliche Reise schweigend, jeder den eigenen Gedanken nachhängend. Will erinnerte sich später, dass er befürchtete, ihre seltsame Ehe werde an dieser langen Fahrt nach Norden endgültig zerbrechen. Rebecca verhielt sich ihm gegenüber abweisender denn je und richtete kaum einmal das Wort an ihn, weder in der Kutsche noch während der Pausen in den Gasthöfen und Poststationen.
Rebecca hatte mit ihrer stetig wachsenden Zuneigung zu Will zu kämpfen. Stunde um Stunde auf so engem Raum mit ihm zu sitzen und keine andere Ablenkung zu haben als die vom Regen gepeitschte triste Landschaft draußen, das empfand sie als schwere Prüfung. Wenn ich ihm auch nur einen Augenblick lang zeige, dass ich ihn mag, bin ich verloren, dachte sie in ihrer Angst. Und so errichtete sie einmal mehr ein unnahbares Schweigen als Bollwerk um sich herum.
Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu dem Abschiedsgespräch mit Tante Petronella zurück, in dem die alte Dame ihr heftige Vorwürfe gemacht hatte.
“Der Duke hält euch beide für Turteltäubchen. Mich führt man nicht so leicht an der Nase herum. Sage mir doch einmal, warum du ihn überhaupt geheiratet hast. Um ihn zu quälen?”
“Er hat mich wegen meines Geldes geheiratet”, brachte Rebecca zu ihrer Verteidigung vor.
Die alte Dame schnaufte verächtlich. “Natürlich hat er das. Ohne dein Geld hätte er überhaupt nicht ans Heiraten denken können. Aber das hindert ihn doch nicht daran, dich zu lieben. Was du ihm allerdings gewaltig schwer machst.”
“Und wenn ich dir erzähle, dass er ständig in Jacksons Boxstudio geht?”
“Wenn schon”, entgegnete Tante Petronella. “Wundert mich nicht. Irgendwo muss er schließlich sein Mütchen kühlen, oder? Außerdem willst du bestimmt keinen Schwächling als Ehemann, außer, du brauchst jemanden, den du nach Herzenslust fertig machen kannst – wie du es mit jedem gemacht hast, der mit dir zu tun bekam.”
Rebecca schloss schmerzlich getroffen die Augen. Tante Petronella und ich sind wirklich aus gleichem Holz geschnitzt, dachte sie. Wir sagen, was wir denken, und scheren uns nicht um den Rest der Welt.
“Du vergisst, dass zuerst
ich
fertig gemacht wurde”, antwortete sie schließlich leise.
“Das habe ich nicht vergessen. Aber du kannst nicht ewig in der Vergangenheit leben, Rebecca. Lass sie los, sonst zerstörst du dich selbst – und ihn. Ich war ein Narr, damals den Duke abzuweisen, und jetzt ist es zu spät. Sei nicht so dumm wie ich.”
Wieder und wieder hallten Tante Petronellas gnadenlose Worte in Rebeccas Ohren, beinahe wie eine Begleitmusik ihrer tristen Reise durch die regenverhangene englische Landschaft.
Als sie Nottingham erreichten, musste Will sich nach einem Kutscher umschauen, da ihr eigener erkrankt war und im Gasthof zurückblieb. Ein recht düsterer, ungepflegter Gesell mit Namen
Weitere Kostenlose Bücher