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Stigma

Stigma

Titel: Stigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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hängen, das Dr. Westphal zusammen mit einer jüngeren Frau, die ihr wie aus dem Gesicht geschnitten war, beim Beachvolleyball zeigte. »Und für ihr Alter verdammt attraktiv«, fügte er hinzu, während er den Körper auf dem Bild anstarrte, der lediglich mit einem orangefarbenen Bikini bekleidet war. Wieder fühlte er Erregung in sich aufkommen.
    »Ich würde sogar sagen, sie ist ein verdammt heißer Feger.« Fanta schnalzte mit der Zunge. »Regt die Fantasie an, was, Alter?«
    »Das ist noch reichlich untertrieben, wenn ich ehrlich bin. Und das wiederum gibt mir ziemlich zu denken. Meine Familie ist in den Händen eines geisteskranken Mörders, und ich bin scharf auf meine Therapeutin. Ich frage mich ernsthaft, was mit mir los ist.«
    »Glaub mir, das ist völlig normal für dein Alter.«
    »Für mein Alter?« Tom löste sich von dem Foto und sah Fanta erstaunt an. »Ich bin sechsundzwanzig.«
    Fanta zuckte die Achseln. »Na und?«
    »Was soll das heißen, na und? Ich halte das keineswegs für normal.«
    »So, da bin ich wieder.« Dr. Westphal hielt einen Teller mit Broten und ein Glas Wasser in den Händen. Sie stellte beides auf dem Birkenholztisch ab. »Was halten Sie nicht für normal?« Sie betrachtete Tom mit einer mütterlichen Fürsorge, die ihn fast schmerzte.
    »Ach, nichts«, wich er aus. »Wir haben nur gerade über die Wetterumschwünge in letzter Zeit gesprochen.« Er betrachtete den Teller mit den Broten. »Danke für Ihre Mühe. Was würde ich nur ohne Sie machen?«
    »Sie müssen mir nicht danken. Wissen Sie, es tut gut, mal wieder jemanden zu umsorgen. Meine Kinder sind schon erwachsen und führen ihr eigenes Leben.«
    »Was ist mit Ihrem Mann?«
    Dr. Westphal seufzte.
    »Entschuldigen Sie«, meinte Tom. »Ich wollte nicht indiskret sein.«
    »Nein, schon gut. Er hat mich wegen einer anderen verlassen.«
    Deshalb kein Foto von ihm. »Das tut mir leid. Vielleicht ist es ja ein Trost, wenn ich Ihnen versichere, dass er ein ziemlicher Vollidiot ist.«
    »Es braucht Ihnen nicht leidzutun«, sagte sie und konnte nicht ganz verbergen, dass sie sich geschmeichelt fühlte. »Das ist schon viele Jahre her. Danach war meine Arbeit immer das Wichtigste für mich. Nach den Kindern, natürlich.«
    »Dann muss das auf dem Bild Ihre Tochter sein.« Er deutete auf das Strandfoto.
    »Ja. Das war vor zwei Jahren, auf Mallorca.«
    »Sie sieht Ihnen sehr ähnlich.«
    »Stimmt. Sie hat auch einen Knackarsch.«
    Tom spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Dann fingen sie beide an zu lachen.
    »Kann mich mal jemand aufklären?«, schaltete sich Fanta ein.
    »Später. Jetzt wird erst mal gegessen. Nicht dass Sie mir wieder umfallen, Tom.« Sie sah zu ihm herüber. »Tom?«
    Er stand noch immer vor den Regalen und starrte wie versteinert auf eines der Bilder.
    »Ist alles in Ordnung, Tom?«
    »Wer ist das da, auf dem Foto?« Seine Stimme hatte einen schärferen Tonfall angenommen. Er deutete auf das gerahmte Bild rechts außen auf dem obersten Regal. Es zeigte einen jungen Mann mit Brille und kurzen, dunklen Haaren. Sein schmallippiger Mund war zu einem Lächeln verzogen.
    »Das ist mein Sohn Gerrit«, antwortete Dr. Westphal mit einem gewissen Stolz. »Er ist auch Arzt und arbeitet in der Uniklinik von Wiesbaden, in der Psychiatrie.« Sie bemerkte den Ausdruck in Toms Augen. »Stimmt irgendetwas nicht? Warum fragen Sie?«
    Noch immer zeigte Tom auf das Bild. »Weil das der Mann ist, den ich heute Mittag in meinem Garten gesehen habe.«
    »Aber das kann unmöglich sein«, meinte Dr. Westphal, nachdem Tom ihr die Einzelheiten geschildert hatte. »Ich sage doch, mein Sohn arbeitet in Wiesbaden. Ich habe heute Mittag noch mit ihm telefoniert.«
    »Na und?«, meinte Tom. »Wiesbaden ist quasi um die Ecke. Wir waren heute auch schon dort.«
    »Wenn ich Sie richtig verstanden habe«, entgegnete sie besonnen, »dann haben Sie diesen Mann gesehen, kurz bevor ich bei Ihnen aufgetaucht bin, also gegen 13 Uhr.«
    Tom nickte aufgebracht. »Ja.«
    »Nun, das Gespräch mit meinem Sohn war etwa eine halbe Stunde vorher. Ich habe ihn angerufen, um mit ihm über Ihren Fall zu sprechen. Gerrit ist auf schwere traumatische Störungen spezialisiert.«
    »Das bedeutet gar nichts.«
    »Doch, Tom, es bedeutet, dass er unmöglich dreißig Minuten später in Ihrem Garten gestanden haben kann, ich habe ihn nämlich in der Klinik angerufen.«
    Toms Augen huschten wild hin und her, suchten nach einer Lösung. »Es gibt Rufumleitungen«,

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