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Stille Seele (German Edition)

Stille Seele (German Edition)

Titel: Stille Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Lastella
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Caspers verzweifelter Blick und seine lockere Art hatten ihn dann verlässlich zum Lachen gebracht. Noch einmal las Jakob die Zeilen durch, die er während der Rückfahrt geschrieben hatte und die Casper klar machen würden, dass dies ein Abschied sein würde. Vermutlich für immer.
     
    Hey Cas,
    ich habe schon ziemlich viele dieser Zettel vollgeschrieben und doch stand nie das Richtige darauf, deshalb dienen sie jetzt der Wä rmeisolierung. Alter, in deinem Wagen zieht es wie Hechtsuppe. Zurück zum Punkt. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit und die Zettel gehen mir auch aus, deswegen wird das hier mein letzter Versuch.
    Ich möchte mich bei dir bedanken, obwohl ein einfaches Danke nicht ausreicht für das, was du getan hast. Du hast mir und Julie e twas gegeben, das man mit keinem Geld der Welt kaufen kann – Zeit. Leider war diese Zeit endlich, wie so vieles im Leben, aber du hast uns die Chance gegeben, es wenigstens miteinander zu versuchen. Und ich weiß, dass du dich in unserer Abwesenheit um Will gekümmert hast – ihm geholfen hast. Ich wünschte, ich könnte dir dafür mehr geben, aber dieser Zettel ist so ziemlich alles, was ich noch habe. Tja, Julie wird dir sicher alles erzählen.
    Tu mir bitte noch einen letzten Gefallen. Ich weiß, dass du sie liebst. Du behauptest zwar immer, es wäre rein platonisch, aber ich weiß, das stimmt nicht. Sie wird dich jetzt brauchen, Cas! Das alles im letzten Jahr hat ihr stärker zugesetzt, als sie jemals zugeben würde und ich möchte, dass sie endlich glücklich wird.
    Versprich mir also, dass du versuchen wirst, sie für mich glücklich zu machen. Dass du dich anstrengen wirst. Ich weiß nicht, wie lange sie mich inhaftieren werden, aber ich melde mich bei dir, sobald ich kann. Ich habe Julie versprochen, dass ich wiederkommen werde, aber du sollst wissen, dass ich nicht zurückkehren werde, wenn sie es schafft, ohne mich und mit dir neu anzufangen.
    Danke für alles
    Dein Freund Jakob
     
    Die Worte drückten nicht aus, was Jakob wirklich ausdrücken wol lte, aber auch andere würden das wohl kaum vermögen. Er musste darauf vertrauen, dass Casper ihm nicht allzu böse sein würde. Ein persönlicher Abschied hätte Jakobs sowieso schon angeschlagene Überzeugung zunichte gemacht und seinen Entschluss aufgeweicht. Mit einem Seufzen klemmte er den Zettel unter den Scheibenwischer, schulterte seine Tasche und verließ mit einem letzten Blick auf Caspers Haus das Grundstück.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    6. September 2008, Jabehill, Haus der Atwoods
     
     
    Jakobs Taxi hielt gegen elf Uhr vormittags in der kleinen Straße, in dem sein Elternhaus stand. Er bezahlte und stieg aus. „Danke, behalten Sie den Rest!“ Er lächelte dem Taxifahrer ermutigend zu, der irritiert auf die fünfundzwanzig Dollar Wechselgeld in seiner Hand starrte. Dann nickte er und bedankte sich überschwänglich.
    Jakob nickte geistesabwesend und schloss die Tür hinter sich. In absehbarer Zeit würde er kein Geld mehr benötigen. Da war es auch egal, dass sich sein gesamtes Vermögen auf etwa dreißig Dollar belief.
    Stumm reckte er sein Kinn in die Sonne und lief die Auffahrt zu seinem Elternhaus hoch. Er zögerte kurz und klingelte dann.
    Ein leichtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er die Stimme seines Vaters hörte.
    „Ich gehe schon, Schatz!“
    Er hatte wahrscheinlich Nachtschicht gehabt, sonst wäre er nicht zuhause. Jakob warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr und ordnete seine Kleidung.
    Die Tür öffnete sich und für einen Moment stand die Zeit still, bevor Jackson Atwood Jakob fest in die Arme schloss und an sich drückte. Leise flüsterte er: „Du bist wieder da! Du bist endlich wieder da!“
    Er schob Jakob auf Armeslänge von sich und betrachtete ihn eing ehend. „Wie geht es dir, mein Sohn?“
    Jakob schüttelte den Kopf und machte nicht den Versuch, seine Tränen über den Verlust von Julie zu verbergen. Das erste Mal, sei tdem er sich selbst als erwachsen betrachtete, erlaubte er sich, die Liebe und den Rückhalt seines Vaters zuzulassen. Liebevoll drückte sein Vater ihm die Hand in den Nacken und Jakobs Kopf gegen seine Brust.
    „Ist ja gut. Wir kriegen das alles hin. Shht.“ Seine Lippen berührten Jakobs Haaransatz und seine Hände fuhren tröstend über seinen R ücken. Sie standen eine ganze Weile einfach nur da und spürten einander, bevor die Stimme von Jakobs Mutter durch den Flur erklang.

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