Stimmen der Angst
ausgestatteten Fitnessraum, der zu seiner Schlafzimmersuite gehörte, brachte er zwei komplette Durchläufe an den Kraftmaschinen hinter sich und strampelte danach noch eine halbe Stunde auf dem Standfahrrad.
Das war das übliche Trainingsprogramm, das er dreimal pro Woche absolvierte, obwohl er es eigentlich nicht nötig hatte, denn er war noch genauso fit wie zwanzig Jahre zuvor, mit einer Achtzig-Zentimeter-Taille und einer körperlichen Ausstrahlung, die Frauen unwiderstehlich fanden. Er schrieb das seinen Erbanlagen zu und der vernünftigen Angewohnheit, Stress abzubauen, sobald er sich bei ihm bemerkbar machte.
Vor dem Duschen rief er über die Haussprechanlage in der Küche an und bat Nella Hawthorne, ihm das Frühstück zu bereiten. Zwanzig Minuten später kehrte er in einem rotseidenen Morgenmantel, mit feuchtem Haar und umweht vom zarten Duft einer würzig riechenden Hautlotion, in sein Schlafzimmer zurück und holte das Frühstück aus dem elektrischen Speisenaufzug.
Auf dem schweren alten Silbertablett prangten neben einer Karaffe mit frisch gepresstem Orangensaft, die in einem eisgefüllten Kübel kühl gehalten wurde, zwei Schokoladencroissants, eine Schale Erdbeeren, dazu brauner Zucker und Schlagsahne auf kleinen Extratellern, ein Orangen-MandelMuffin mit einer Portion geschlagener Butter, ein Stück Kokosnuss-Rührkuchen mit Zitronenmarmelade und eine großzügige Portion gerösteter, mit Zucker und Zimt bestreuter Pecannüsse zum Naschen zwischendurch.
Mit seinen achtundvierzig Jahren konnte sich der Arzt eines Stoffwechsels erfreuen, der einem hyperaktiven Zehnjährigen Ehre gemacht hätte.
Er nahm das Frühstück an demselben Schreibtisch ein, an dem er wenige Stunden zuvor die in Formaldehyd schwimmenden Augen seines Vaters studiert hatte.
Der Glasbehälter stand immer noch da. Er hatte ihn nicht in den Safe zurück gestellt, bevor er zu Bett gegangen war.
Manchmal schaltete er morgens den Fernseher ein und sah sich während des Frühstücks die Nachrichten an; aber welchen Sender er auch einstellen mochte, keiner der Moderatoren oder Moderatorinnen hatte auch nur annähernd so faszinierende Augen wie Josh Ahriman, selig seit nunmehr zwanzig Jahren.
Die Erdbeeren waren unvergleichlich reif und aromatisch. Die Croissants waren göttlich.
Die Augen seines Vaters ruhten schmachtend auf seinem Schlemmerfrühstück.
Ahriman hatte als hochbegabter junger Mensch seine Ausbildung abgeschlossen und eine eigene psychiatrische Praxis aufgemacht, bevor er die dreißig erreicht hatte, aber leider flog ihm, obwohl er durch seinen Vater über die besten Verbindungen in Hollywood verfügte, die betuchte Klientel nicht so ohne weiteres zu wie der Lehrstoff. Obwohl die Großen der Filmszene sich gern ihrer lockeren Einstellung brüsteten, hegten viele von ihnen Vorurteile gegen junge Therapeuten und dachten gar nicht daran, sich bei einem Mittzwanziger auf die Couch zu legen. Fairerweise musste man sagen, dass der Arzt damals – wie auch jetzt noch – wesentlich jünger aussah als er war. Zu dem Zeitpunkt, als er sein Schild vor die Tür hängte, hätte man ihn für achtzehn halten können. Dennoch hatte es Ahriman in dieser Szene, in der man das Herz noch stolzer vor sich her trug als selbst das edelste Designerlabel, als frustrierend empfunden, sich als Opfer einer solchen Scheinheiligkeit zu sehen.
Sein Vater hatte ihn weiterhin großzügig unterstützt, aber dem Arzt ging es zunehmend gegen den Strich, sich von seinem alten Herrn aushalten lassen zu müssen. Gerade angesichts der akademischen Ehren, zu denen er es gebracht hatte, war es ihm nachgerade peinlich, mit achtundzwanzig noch von seinem Vater abhängig zu sein. Abgesehen davon reichten die Zuwendungen, die Josh Ahriman ihm gewährte, bei aller Freigebigkeit nicht aus, um den von ihm gewünschten Lebensstil oder die Forschungsprojekte, die er gern verfolgt hätte, zu finanzieren.
Einziges Kind und Alleinerbe, vergiftete er seinen Vater mit einer kräftigen Dosis Thiobarbital in Verbindung mit Paraldehyd, injiziert in zwei köstliche Marzipan-Petit-Fours mit Schokoladenguss, für die der alte Herr stets eine Schwäche hatte. Bevor er Feuer im Haus legte, damit der verstümmelte Leichnam darin verbrannte, nahm er eine Teilsektion des väterlichen Gesichts vor, um der Quelle seiner Tränen auf den Grund zu gehen.
Josh Ahriman war ein außergewöhnlich erfolgreicher Drehbuchautor, Regisseur und Produzent gewesen – wahrhaftig eine dreifache
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