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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Toten gingen die Beweggründe ihrer Tat deutlich hervor, aber es drückten sich darin auch so viel innerer Aufruhr und Schmerz – dieses besondere Gefühlschaos der Verzweiflung – aus, dass er völlig echt wirkte.
    Martie bestätigte, dass es Susans Handschrift war. Durch Vergleiche mit einem noch nicht abgeschickten Brief an ihre Mutter und mit Schriftproben aus ihrem Adressbuch wurde die Möglichkeit einer Fälschung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Sollten sich im Laufe der Ermittlungen Verdachtsmomente ergeben, die auf einen Mord schließen ließen, so würde man eine Schriftanalyse von einem Experten einholen.
    Martie war, wie es der Abschiedsbrief besagte, wie keine andere Person in der Lage zu bestätigen, dass Susan Jagger seit sechzehn Monaten an einer schweren Agoraphobie gelitten hatte, dass ihre berufliche Laufbahn ruiniert und ihre Ehe zerbrochen war und dass sie immer wieder in lang anhaltende Depressionszustände verfallen war. Ihr Einwand, dass Susan dennoch weit entfernt gewesen sei von jedem Gedanken an Selbstmord, klang selbst in Dustys Ohren wie der hilflose Versuch, den Ruf einer guten Freundin über den Tod hinaus zu schützen und deren Andenken vor übler Nachrede zu bewahren.
    Im Übrigen machten die Selbstvorwürfe, die sie, weniger an die Polizisten oder an Dusty als an sich selbst gerichtet, zum Ausdruck brachte, nur zu deutlich, dass sie im Grunde ihres Herzens an einen Selbstmord glaubte. Sie machte sich Vorwürfe, weil sie nicht zur Stelle gewesen war, als Susan sie brauchte, weil sie Susan am Vorabend nicht zurückgerufen und gerettet hatte, als diese vielleicht die Rasierklinge schon angesetzt hatte.
    Bevor die Polizeibeamten eingetroffen waren, hatten sich Dusty und Martie darauf geeinigt, Susans gespenstischen Besucher, der seine ganz realen und nachweisbaren biologischen Spuren zu hinterlassen pflegte, nicht zu erwähnen, weil Martie der Meinung war, dass diese Geschichte Susan in den Augen der Kriminalisten noch labiler und verwirrter erscheinen lassen und ihrem Ansehen noch größeren Schaden zufügen würde.
    Sie fürchtete darüber hinaus, dass dieses heikle Thema Fragen aufwerfen würde, bei deren Beantwortung ihre eigene Autophobie zur Sprache käme. Der Gedanke, den bohrenden Fragen luchsäugiger Polizisten und der kalten psychologisierenden Analyse ihrer persönlichen Probleme ausgesetzt zu sein, war ihr zuwider. Sie hatte Susan kein Härchen gekrümmt, aber wenn sie anfing, von dem gewalttätigen Potenzial zu erzählen, das sie in sich entdeckt zu haben glaubte, würden die Beamten ihre Selbstmordtheorie zurückstellen und sie so lange in die Mangel nehmen, bis sie sicher waren, dass ihre Angst vor sich selbst genauso irrational war, wie sie klang. Und wenn sie dann unter dem Druck der Befragung in Gegenwart der Polizisten eine neuerliche Panikattacke erlitt, würden diese vielleicht zu dem Schluss kommen, dass sie eine Gefahr für sich selbst und für andere war, und sie gegen ihren Willen für zweiundsiebzig Stunden in ein psychiatrisches Krankenhaus einweisen lassen, was im Rahmen ihrer Befugnis lag.
    »Ich könnte das nicht ertragen«, hatte Martie kurz vor dem Eintreffen der ersten beiden Beamten zu Dusty gesagt. »An einem solchen Ort eingesperrt zu sein. Ständig unter Beobachtung. Ich könnte nicht damit umgehen.«
    »Das wird nicht passieren«, hatte er ihr versichert.
    Er teilte Marties Wunsch, Susans Phantomvergewaltiger nicht zu erwähnen, aber er hatte dafür noch einen anderen Grund, den er ihr gegenüber bis jetzt nicht erwähnt hatte. Er war so sicher, wie Martie es liebend gern gewesen wäre, dass Susan nicht Selbstmord begangen hatte, zumindest nicht aus freiem Willen und im Wissen um das, was sie tat. Wenn er das den Beamten sagte und auch nur den untauglichen Versuch machte, sie davon zu überzeugen, dass sie es hier mit einem ungewöhnlichen Fall zu tun hatten, in dem gesichtslose Verschwörer und finstere Methoden der Willensbeeinflussung eine Rolle spielten, würden sie beide, Martie und er selbst, auf die eine oder andere Weise tot sein, bevor die Woche um war.
    Und es war bereits Mittwoch.
    Seitdem er in dem Roman auf Dr. Yen Lo gestoßen war und ganz besonders, nachdem das Buch wie durch Magie wieder in seine zittrigen Hände gelangt war, obwohl es in der Sekunde zuvor erst zu Boden gefallen war, konnte sich Dusty des Gefühls einer drohenden Gefahr nicht erwehren, das ständig stärker wurde. Irgendwo tickte eine

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