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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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konnte, waren immer noch gleich null, wenn sie auch vorher, als er das Buch noch nicht aufgeschlagen hatte, schlechter gestanden hatten.
    Nur ein hoffnungsloser Egozentriker, ein Größenwahnsinniger oder ein Psychotiker würde jahrelang begeistert einen Sport betreiben, wenn er wüsste, dass ihm der Sieg immer sicher war. Für den wahren – und innerlich ausgeglichenen – Sportsmann gehörte immer eine letzte Ungewissheit, wenigstens ein kleines Fünkchen Spannung dazu, wenn sich das Spiel lohnen sollte. Er musste sein Können auf die Probe stellen und das Glück herausfordern, nicht aus Fairness seinen Mitspielern gegenüber – Fairness war etwas für Narren –, sondern um in Form zu bleiben und das Maximum an Spaß aus dem Spiel herauszuholen.
    Stets würzte der Arzt das Szenario seiner Spiele, indem er Gefahrenmomente für sich selbst einbaute, die ihn zwar nur selten wirklich tangierten, deren bloßes Vorhandensein er aber als belebend empfand und die ihn zwangen, immer auf der Hut zu sein. Er liebte diesen jungenhaften Zug in seinem Wesen und schwelgte genießerisch darin.
    Bei Susan Jagger zum Beispiel hatte er zugelassen, dass sie seine Spermaspuren entdeckte und bewusst wahrnahm. Hätte er ihr befohlen, diesen Beweis seiner Besuche nicht zu registrieren, so hätte sie ihre Entdeckung augenblicklich aus dem Gedächtnis gestrichen. Stattdessen hatte er die Wahrnehmung zugelassen und, indem er ihren Verdacht auf ihren Mann gelenkt und so eine spannungsgeladene Dynamik zwischen den Figuren seines Spiels erzeugt hatte, deren Folgen für ihn nicht absehbar waren. In diesem Fall hatte es sogar zu der Beinahekatastrophe mit dem Videoband geführt, und das war das Letzte, womit er hatte rechnen können.
    Einer der Fallstricke in seinem Spiel war der Botschafter der Angst . Er hatte Martie das Buch gegeben und ihr gleichzeitig befohlen zu vergessen, von wem sie es hatte. Sie lebte, wie er es ihr eingeimpft hatte, in der Vorstellung, dass sie immer während Susans Therapiesitzungen ein paar Seiten des Romans las, obwohl sie das Buch in Wahrheit noch nie aufgeschlagen hatte, und er unterstützte diese Vorstellung mit dem brüchigen Fundament einiger unglaublich nichtssagender Sätze, die sie herunterleiern konnte, wenn Susan oder sonst jemand sie nach ihrer Meinung zu der Geschichte fragte. Hätte Susan sich über ihre vage, hölzerne Beschreibung gewundert, so hätte sie sich vielleicht eingehender mit dem Buch befasst und Parallelen zu ihren realen Problemen entdeckt. Martie selbst war es nicht etwa streng untersagt, den Roman zu lesen, er hatte ihr lediglich eine starke Abwehr dagegen eingeimpft, und es war durchaus möglich, dass sie diese Abwehr in einem Moment überwand, in dem Ahriman am wenigsten damit rechnete. Aber nun hatte Mr. Rhodes begonnen, in dem Roman herumzuschnüffeln.
    Wo ist die Grenze zwischen Fantasie und Wirklichkeit? Das ist die wesentliche Frage, um die es in dem Spiel geht.
    Während der Arzt den großen Tisch umrundete und darüber nachdachte, ob Crockett oder Capone den Sieg davontragen sollte, rieben sich die lockeren Falten seines schwarzen NinjaPyjamas mit seidigem Knistern. Klapper-klapper , die Würfel im Becher.
    *
    Hätte man sie gefragt, so hätten die Innenarchitekten die Ausstattung als zeitgenössischen Bistrostil oder italienische Moderne bezeichnet. Sie hätten damit nicht unbedingt eine Lüge oder Unaufrichtigkeit von sich gegeben, aber ihre Antwort wäre am Wesentlichen vorbeigegangen. Das dunkel schimmernde Holz, der schwarze Marmor, die glatten, polierten Flächen, die vulvaförmigen Wandlampen aus Bernstein und Onyx, das breite Wandgemälde hinter der Bar mit seiner Rousseau-artigen Dschungellandschaft, in der die Pflanzen üppiger wucherten als je in der Natur und geheimnisvolle Katzenaugen hinter regenschillerndem Blattwerk hervorlugten – all das ließ ein Thema und nur dieses eine Thema anklingen: Sex.
    Das Lokal war in ein Restaurant und eine Bar aufgeteilt, und die beiden gleich großen Bereiche waren durch einen mächtigen Bogengang, flankiert von Mahagonisäulen auf Marmorsockeln, miteinander verbunden. Zu dieser frühen Abendstunde, in der die umliegenden Büros gerade ihre Pforten geschlossen hatten, wimmelte es in der Bar von gut verdienenden jungen Singles, die hungriger auf der Pirsch waren als jede Raubkatze, während im Restaurant noch nicht viel los war.
    Die Empfangsdame führte Dusty und Martie zu einer Sitznische, die durch hohe Rückenlehnen an den

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