Stimmen der Angst
Ihnen eine der Personen in den Kapseln erkannt, die begonnen haben, diese virtuelle Welt in Frage zu stellen. Eine potenzielle Kämpferin auf der Seite der Rebellen. Und wir wollen versuchen, Sie zu befreien.«
Sie sagte nichts, atmete aber jetzt so schnell, dass es wie das Hecheln eines Zwergpudels oder eines anderen Wischmops von einem Schoßhündchen beim Gedanken an einen leckeren Hundekuchen klang.
Wenn sich, wie er vermutete, ihre Paranoia bereits voll entwickelt hatte, würde das Szenario, das er ihr ausmalte, einen enormen Reiz auf sie ausüben. Die Welt musste ihr plötzlich viel klarer und überschaubarer erscheinen. Bis jetzt hatte sie sich von Feinden umzingelt gefühlt, deren oft widersprüchliche Motive sie nicht verstand, nun aber gab es einen Feind, auf den sie sich konzentrieren konnte: den monströsen, teuflischen, weltbeherrschenden Computer und seine seelenlosen Roboter. Ihre zwanghafte Beschäftigung mit Keanu Reeves – anfangs in Form einer neurotischen Liebe, dann in der eines zunehmenden Verfolgungswahns – hatte sie oft als unbegreiflich und beängstigend empfunden, weil es ihr grotesk vorkam, einem Menschen, den sie nur als Filmstar aus dem Kino kannte, so große Bedeutung zuzumessen; aber jetzt begriff sie vielleicht, dass er eben nicht nur ein Filmstar war, sondern der Eine, der Auserwählte, der die Menschen von den Robotern befreien würde, der Held aller Helden, der aus eben diesem Grund verdiente, dass sie sich intensiv mit ihm beschäftigte. Als Paranoikerin war sie davon überzeugt, dass die Welt, wie sie von der Mehrzahl der Menschen wahrgenommen wurde, ein Schwindel war, dass die Wahrheit merkwürdiger und beängstigender war als die trügerische Realität, die von den meisten als Wirklichkeit hingenommen wurde, und nun wurde sie von Ahriman in dieser Überzeugung bestätigt. Er bot ihr Paranoia im Gewand der Logik, Wahn im beruhigenden Rahmen einer festen Ordnung, und dieses Angebot musste eigentlich unwiderstehlich für sie sein.
Endlich brach sie ihr Schweigen. »Sie scheinen damit andeuten zu wollen, dass K-K-Keanu mein Freund ist, mein Verbündeter. Aber ich weiß, dass er … gefährlich ist.«
»Sie haben ihn einmal geliebt.«
»Ja, bis ich die Wahrheit erkannt habe.«
»Nein«, redete Ahriman auf sie ein, »Ihre anfänglichen Gefühle für den Einen waren gerechtfertigt. Ihre Ahnung, die Ihnen sagte, dass er etwas Besonderes ist und deshalb Ihre Bewunderung verdient, war richtig und wahr. Die jetzige Angst vor ihm wurde Ihnen von dem teuflischen Computer eingeimpft, der daran interessiert ist, dass Sie ihm in ihrer Kapsel weiterhin Energie liefern.«
Als er sich das alles in diesem mitfühlenden und ernsthaften Ton sagen hörte, kam sich der Arzt allmählich selbst wie ein Geistesgestörter vor.
Sie verlegte sich wieder auf beharrliches Schweigen. Aber sie beendete nicht die Verbindung.
Ahriman ließ ihr so viel Zeit zum Überlegen, wie sie wollte. Es durfte nicht so aussehen, als wollte er ihr seine Version der Geschichte um jeden Preis andrehen.
Während er auf eine Reaktion wartete, überlegte er, was er gern zum Abendessen haben würde. Ob er sich einen neuen Ermenegildo-Zegna-Anzug kaufen sollte. Was für eine geistreiche Verwendung es für die Tüte mit dem Hundehaufen geben könnte. Wie aufregend es war, auf den Abzug zu drükken. Welche Überraschung Capones Sieg im Kampf um El Alamo war.
»Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken«, sagte sie schließlich.
»Natürlich.«
»Versuchen Sie nicht, mich zu finden.«
»Sie können in der virtuellen Realität der Matrix gehen, wohin Sie wollen«, sagte Ahriman. »In der Wirklichkeit bleiben Sie doch immer in Ihrer Batteriekapsel.«
Sie dachte einen Moment über seine Worte nach, dann sagte sie: »Wahrscheinlich haben Sie Recht.«
Weil er spürte, dass sie anfing, sich mit dem Szenario anzufreunden, das er entworfen hatte, wagte er es, noch einen Schritt weiterzugehen. »Ich bin befugt, Ihnen zu sagen, dass der Eine in Ihnen nicht irgendeine beliebige neue Verbündete im Kampf der Rebellen sieht.«
Auf atemlose Stille folgte wieder das leise, flache Wischmop-Schoßhund-Hecheln, nur hatte es jetzt einen anderen, leicht erotischen Unterton.
»Keanu hat ein persönliches Interesse an mir?«, fragte sie.
Diesmal hatte sie beim Namen des Schauspielers nicht gestottert.
Ahriman, der ihre Frage als Fortschritt deutete, wog seine nächsten Worte sorgfältig ab. »Ich habe zu diesem Thema alles gesagt, wozu
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