Stirb für mich: Thriller
Learning by Doing; man passt sein Verhalten an und entwickelt Überlebenstechniken.«
»Ich weiß nicht, was ich machen würde, wenn Alyshia etwas zustößt.«
»Mit mir?«, fragte Boxer trocken.
»Nein, nein, nein, nein«, sagte D’Cruz und raffte sich fast zu einem Lachen auf. »Mit mir selbst. Sie bedeutet mir alles. Ich bin ein getriebener Mann, Mr Boxer. Ich habe die Armut gehasst. Ich habe mir einen Namen im Filmgeschäft gemacht. Ich habe enormen Reichtum für mich und mein Land angehäuft. Und trotzdem hat mich nichts in meinem Leben so sehr berührt, wie Alyshia als Kind beim Schlafen zuzusehen und zu erkennen, dass mein Glück allein von ihr abhängt.«
Boxer wünschte, man hätte ihm nicht erzählt, dass D’Cruz ein berühmter Schauspieler gewesen war. So ertappte er sich immer wieder dabei, all seine Äußerungen auf ihren emotionalen Wahrheitsgehalt zu prüfen. Außerdem war er sich der Kreiselbewegung ihres Gespräches bewusst. D’Cruz wollte auf irgendetwas hinaus, jedoch nicht direkt. Das konnte an dem Unterschied zwischen der asiatischen und der angelsächsischen Kultur liegen, doch Boxer vermutete, dass es eher die heikle Natur seiner Absicht war. Der Mann hörte ihm zu und antwortete, war mit den Gedanken jedoch gleichzeitig auf irgendetwas Großes und Dringendes anderswo konzentriert.
»Wie ich gesehen habe, leiten Sie selbst eine Firma«, sagte D’Cruz.
»Eine wohltätige Stiftung«, sagte Boxer und dachte, dass sie nun zu seiner eigentlichen Hintergrundrecherche kamen.
»Soweit ich weiß, haben Sie sie gegründet, weil Ihr Vater verschwunden ist«, sagte D’Cruz.
»Er wird vermisst, seit ich sieben Jahre alt war«, sagte Boxer unter Vermeidung des Zusatzes »auf der Flucht«.
»Aber Sie haben die Stiftung nicht nach ihm benannt. Normalerweise werden Stiftungen zum Andenken an …«
»Ich habe keinen Anlass zu glauben, dass er tot ist«, sagte Boxer. »Aber darum geht es auch gar nicht. Ich habe die Stiftung gegründet, weil die Zurückgelassenen oft am meisten leiden. Ich habe die Stiftung LOST genannt, da es den Geisteszustand der Menschen beschreibt, die immer noch verzweifelt wissen wollen, was mit ihren Angehörigen oder geliebten Menschen geschehen ist.«
»Und wie finanzieren Sie diese Stiftung?«
»Mithilfe von Spenden.«
Boxer spürte das bohrende Interesse des Mannes, rührte sich jedoch nicht. D’Cruz’ Gedanken kreisten und schweiften.
»Beschäftigen Sie sich immer noch mit dem Fall Ihres Vaters?«
»Nicht mehr«, antwortete Boxer. »Als ich zum ersten Mal Zugang zu den Polizeiakten erhielt, habe ich praktisch meine komplette Freizeit mit dem Verfolgen von Spuren zugebracht.«
»Um seine Unschuld zu beweisen?«
»Um zu sehen, ob ich ihn finden konnte.«
»Wann und wo wurde er zuletzt gesehen?«
»Am späten Vormittag des 14. August 1979 von seinem Nachbarn in Belsize Park«, sagte Boxer und fragte sich, ob D’Cruz wirklich daran interessiert war oder ob das für ihn nur zum Prozess des Kennenlernens gehörte. »Zwanzig Jahre später habe ich den indischen ›Reiseunternehmer‹ getroffen, der ihm das Ticket nach Kreta verkauft hat. Dann habe ich das Hotel an der Südküste der Insel gefunden, wo er 1979 gewohnt hat, und den damaligen Besitzer aufgetrieben, der mir den Strand gezeigt hat, wo man seine Kleidung und den Pass gefunden hatte. Und da endet die Suche.«
»Es ist bestimmt nicht leicht, zwei Vollzeit-Angestellte in London zu bezahlen«, sagte D’Cruz, »selbst wenn es sich um pensionierte Polizisten handelt.«
»Wir kommen zurecht«, erwiderte Boxer, nicht weiter irritiert von D’Cruz’ sprunghafter Fragetechnik.
»Ich habe durch einen chinesischen Geschäftsmann in Schanghai von Ihnen erfahren. Sie haben für ihn einen ganz besonderen Auftrag ausgeführt, wofür er meines Wissens jeden Monat eine beträchtliche Summe an die LOST -Foundation überweist.«
»Zhang Yaoting«, sagte Boxer. »Und hat er Ihnen auch erzählt, um welchen besonderen Auftrag es ging?«
»Er hat gesagt, nachdem Sie mit der Bande, die seinen Sohn in Nigeria gefangen hielt, erfolgreich dessen Freilassung ausgehandelt hatten, hätten Sie alle vier Männer aufgespürt und erschossen«, antwortete D’Cruz. »Ich möchte, dass Sie für mich das Gleiche tun.«
»Heißt das, Sie wissen, mit wem wir es zu tun haben?«
»Nein. Ich habe keine Ahnung. Ich stelle natürlich eigene … Nachforschungen an, aber ich habe keine konkrete Spur.«
Schweigend und mit hartem Blick
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