Stirb leise, mein Engel
ärgerlich. Eigentlich war es ja ein blödes, albernes Ding. Was für kleine Mädchen. Aber es war sein
cooles Herz
, und er musste es unbedingt wiederhaben.
Ein Gedanke drängte sich ihm auf: Hatte Mareike es mitgenommen? Vielleicht war es so gewesen: Sie hatte sich hingelegt, es gefunden und eingesteckt. Was schon ziemlich krass gewesen wäre. Man nahm doch nicht einfach Dinge mit, die einem nicht gehörten. Nicht mal solche Kleinigkeiten. Aber für jemanden, der einfach so zum Spaß Einbrüche beging, echte und gefakte, war das wahrscheinlich keine große Sache.
Oder tat er ihr unrecht? Vielleicht hatte sie das Glitzerherz gefunden und irgendwo hingelegt, wo er noch nicht gesucht hatte. Auf den Schreibtisch zum Beispiel. Er durchwühlte das Durcheinander dort, doch vergeblich. Dafür entdeckte er etwas auf dem Boden: Mareikes Handy. Er hob es auf und betrachtete es nachdenklich. Die Versuchung war groß, ein wenig darin herumzustöbern. Aber nein. So was machte er nicht. Er würde nur schnell nach ihrer Festnetznummer suchen, um ihr zu sagen, wo ihr Telefon war.
Er tippte auf
Kontakte
, ihr Adressbuch ging auf.
Was war das?
Okay, dachte er mit einem Schauder, das ist jetzt wirklich strange.
Die einzige Nummer, die abgespeichert war, war – seine.
34
AM NÄCHSTEN TAG fuhr Joy gleich nach der Schule zur Galerie in der Barer Straße. Sie war geöffnet, aber wie schon bei ihrem ersten Besuch war auch diesmal niemand im Schauraum. Joy fragte sich, wovon so ein Galerist eigentlich lebte, wenn er nie Kundschaft hatte. Sie versuchte, sich an den Namen des Typen vom letzten Mal zu erinnern, er fiel ihr zum Glück gerade ein, als er aus einem Nebenraum hereintrat: Gerd Watzke. Bei ihrem Anblick verlor sein Gang etwas von seinem Schwung.
»Du warst doch vor Kurzem erst hier«, sagte er und erinnerte sich dabei wohl, dass sie keine Kundin gewesen war.
»Stimmt.« Joy kam ihm ein paar Schritte entgegen. »Ich hätte noch eine Frage zu dieser Mareike.«
Gerd Watzke zog die Brauen hoch und reckte das Kinn ein wenig vor. »Tut mir leid«, sagte er spitz, »ich beantworte keine Fragen mehr. Eigentlich habe ich schon zu viel gesagt. Wer weiß, ob du nicht eine Stalkerin bist oder irgend so eine Irre.«
»Sehe ich etwa danach aus?« Sie setzte ihr unschuldigstes Lächeln auf und blinzelte mädchenhaft, bis ihr bewusst wurde, dass eine Stalkerin wahrscheinlich genau das auch machen würde.
Gerd Watzkes Handy brüllte eine Opernarie. »Du kannst dir gerne alles anschauen, aber erfahren wirst du von mir nichts mehr.«
»Sagen Sie mir wenigstens, wo sie wohnt.«
Er winkte ab, drehte sich weg und ging ans Handy.
Joy stand unschlüssig herum. So schnell würde sie nicht aufgeben. Auch wenn Gerd Watzke ziemlich entschlossen gewirkt hatte. Aber er war nun mal ihre einzige Verbindung zu Mareike. Sie tat so, als interessierte sie sich für die Bilder an den Wänden, in Wahrheit aber überlegte sie, wie sie ihn vielleicht doch noch dazu bewegen konnte, mit ihr zu reden.
»Spätestens um halb vier musst du hier sein«, hörte sie ihn sagen. Anscheinend telefonierte er mit einem Mitarbeiter. »Dann werden die Bilder für Ahrens abgeholt. Sie liegen verpackt und adressiert hinten, du musst nur den Abholschein unterschreiben.«
Joy wurde hellhörig. Bilder für Ahrens? Bestimmt ging es um die, die Mareike zerstört und ihr Vater gekauft hatte. Na, wenn das keine Gelegenheit war. Während Gerd Watzke mit dem Rücken zu ihr weitertelefonierte, stahl sie sich in den Nebenraum, in dem beim letzten Mal noch die verunstalteten Bilder gehangen hatten. Heute waren die Wände leer, dafür stand eine Kiste neben dem Eingang. Joy las den Adressaufkleber:
S. Ahrens
Waldsteinstraße 14
80635 München
Bingo! Ihr Herz schlug vor freudiger Erregung etwas höher.
Sie kehrte zurück in den anderen Raum, wo Gerd Watzke noch immer telefonierte, winkte ihm zu und verließ die Galerie.
DREI UHR, HATTE Mareike gesagt. Am nördlichen Eingang. Jetzt war es schon Viertel nach, und sie war noch immer nicht da. Dabei war sie sonst immer überpünktlich. Irgendwie war Sascha froh, dass sie sich verspätete. Das verschaffte ihm Aufschub. Er musste ihr sagen, was er für sie empfand. Und vor allem: was er
nicht
empfand. Gestern am Telefon hatte er es nicht geschafft. Und nach seinem Glitzerherz hatte er sie auch nicht gefragt. War ihm irgendwie peinlich gewesen. Außerdem hatte sie nicht viel Zeit gehabt und nur wegen ihrem Handy fragen wollen. Der
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