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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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Versöhnungssex war eh der beste von allen. Angeblich.
    Er hörte seine Mutter nach Hause kommen. Ein Blick auf die Uhr: Es war schon zehn. Er ging in die Diele, um zu sehen, welche Laune sie hatte. Sie sah einfach nur müde und abgekämpft aus. Mit ein paar Sekunden Verzögerung folgte er ihr in die Küche, wo sie in den Kühlschrank schaute.
    »Ich kann dir was machen«, bot er an.
    »Schon gut, ich hab keinen so großen Hunger. Aber du könntest mir die Flasche Wein da öffnen.«
    Er suchte einen Korkenzieher und nahm die Flasche. »Und?«
    »Was und?«
    Sie breitete Wurst, Käse und Brot auf der Anrichte aus.
    »Du weißt genau, was ich meine.«
    Seine Mutter sagte nichts, belegte eine Scheibe Brot.
    »Haben wir eigentlich noch Essiggurken?«
    »Mama!«
    »Na gut. Eine Mareike Ahrens sollte heute Mittag zur Vernehmung erscheinen. Ihr Name tauchte mehrfach in Mirko Engelharts Papierkram auf. Sie ist aber nicht aufgekreuzt. Bei ihr zu Hause haben wir sie auch nicht angetroffen. Was wohl nicht ungewöhnlich ist, sie scheint von ihren Eltern her große Freiheiten zu genießen. Mit Terminen nimmt die junge Dame es generell nicht so genau, hat die Mutter gemeint und dann ohne Not gleich mit einem Anwalt angefangen. Mal schauen, ob diese Mareike eine offizielle Vorladung ernster nimmt.« Sie biss in ihr Brot und ergänzte mit vollem Mund: »Falterer war gestern dort. Die Villa ist geschützt wie ein Hochsicherheitsgefängnis, sagt er. Und so sind auch die Leute.«
    Mit einem kleinen Kraftakt entkorkte er die Weinflasche.
    »Hört sich das nach deiner Mareike an?«
    »Keine Ahnung. Irgendwie schon.«
    Er holte ihr ein Glas und goss ein. Da klingelte es an der Tür. Sie sahen sich an. Wer konnte das sein, um diese Zeit? Joy, dachte er sofort.
    »Ich geh schon.«
    Als er öffnete, stand jedoch nicht Joy vor ihm, sondern ihre Mutter. Sie sah besorgt aus.
    »Weißt du, wo Joy ist?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich hab eine SMS gekriegt, dass sie ins Kino geht.«
    »Ich auch, aber … das kommt mir komisch vor. Sie schreibt mir wegen so was nie eine SMS . Sie ruft an, wenn es später wird. Oder wenn sie woanders übernachtet. Du weißt also nichts? Sie hat sich nicht bei dir gemeldet?«
    »Nee, bis auf die SMS nicht.«
    »Ist deine Mutter da?«
    »Eben gekommen.«
    »Was ist denn?«, hörte er seine Mutter in seinem Rücken sagen. Ehe er antworten konnte, kam Joys Mutter in den Flur.
    »Joy ist nicht heimgekommen, und ich erreiche sie auch nicht. Das ist irgendwie komisch. Kann man da irgendwas machen?«
    Sascha hatte die Tür zugedrückt und drehte sich jetzt um. Seine Mutter stand mit dem Weinglas in der einen und dem belegten Brot in der anderen Hand im Flur. »Warten wir die Nacht ab«, sagte sie. »Vielleicht ist Joy mit einem jungen Mann unterwegs und kommt morgen früh nach Hause geschlichen. Könnte doch sein, oder?«
    Joys Mutter zuckte die Achseln. Anscheinend glaubte sie nicht daran.
    »Es gäbe da schon jemanden«, warf Sascha ein. »Den Bruder von Alina. Bruno.«
    Seine Mutter sah ihn an. »Du meinst den Bruno, wegen dem sie bei mir war? Den sie verpfiffen hat?«
    »Sonst fällt mir niemand ein.«
    Obwohl sie nicht an diese Möglichkeit zu glauben schien, rief seine Mutter im Präsidium an und bat darum, aus der Akte sämtliche bekannten Telefonnummern von Bruno rauszusuchen. Unter der Handynummer meldete sich nur die Mailbox, sie hinterließ eine Nachricht. Danach versuchte sie es in der WG . Bruno war nicht da, seine Mitbewohner wussten nicht, wo und mit wem er unterwegs war. Joy hatte keiner von ihnen an diesem Tag gesehen. Zur Sicherheit rief sie, ungeachtet der späten Stunde, auch noch Brunos Eltern an. Aber dort war er schon seit Tagen nicht gewesen.
    »Mehr können wir jetzt nicht machen«, sagte Saschas Mutter, nachdem sie aufgelegt hatte. »Wenn sie sich bis morgen früh nicht gemeldet hat, rufen Sie mich noch mal an, ja? Dann schauen wir weiter.«
    Joys Mutter bedankte sich, sah Sascha kurz an, als wollte sie ihm etwas sagen, verließ dann aber ohne ein weiteres Wort die Wohnung.

38
    UM SIE HERUM war es so dunkel, dass sie sich fragte, ob sie die Augen wirklich offen hatte. Dafür hörte sie umso schärfer. Das leise Platzen eines Wassertropfens. Dann wieder ein Scharren. Und etwas, das sie für das Trippeln kleiner Füße hielt. Mäuse oder Ratten. Ein Schauder lief jedes Mal durch sie hindurch. Von Zeit zu Zeit glaubte sie auch, ein gehauchtes Seufzen zu hören. »Hallo?«, fragte sie dann

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