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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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flüchtig«, wiegelte er ab, um weitere Tröstungsversuche im Keim zu ersticken. »Was weißt du denn darüber?«
    »Ein typischer Suizid, so weit. Komisch ist nur, dass das bereits der dritte dieser Art innerhalb weniger Monate ist. Eine richtige Serie. Und jedes Mal mit Zyankali.«
    Sascha horchte auf. »Zyankali? Natalie hat sich –?«
    »Ach, das wusstest du nicht? Wir haben natürlich noch kein offizielles Gutachten zur Todesursache, aber es sieht ganz danach aus. Bei Alina und Sarah war es jedenfalls Zyankali. Wo haben die Mädels das Zeug nur her? Das kriegt man ja nicht so einfach in der Drogerie.«
    Sarah – der Name hallte in Sascha nach. Irgendwo war er ihm in letzter Zeit schon mal untergekommen. Es dauerte ein bisschen, dann fiel es ihm wieder ein: das frische Grab auf dem Friedhof, der Name auf dem Kreuz. Ob das wirklich die Sarah war, von der ihre Mutter sprach? Wäre schon ein ziemlicher Zufall. Andererseits: Das Leben war voller merkwürdiger Zufälle.
    »Natalie und Alina kannten sich«, sagte Sascha nun.
    »Ach ja? Na, das erklärt einiges. Groß zu ermitteln haben wir eh nichts, es gibt in keinem Fall Anzeichen auf Fremdeinwirken. – Geht’s dir auch wirklich gut, Sascha?«
    »Hab ich doch gesagt. Alles okay.«
    Joy stand auf. »Ich muss los.«
    »Jetzt schon?«, fragte Saschas Mutter. »Ich dachte, du bleibst noch. Ihr könntet was Leckeres zusammen kochen.«
    »Würde ich wirklich gerne, aber morgen ist Geschichtsklausur, und ich muss mir noch haufenweise Stoff reinziehen.«
    Wahrscheinlich glaubte seine Mutter, sie tue ihm einen Gefallen, wenn sie Joy zum Bleiben drängte, aber er fand das eher peinlich und brachte Joy zur Tür. Dort stieß sie ihn sanft gegen die Schulter.
    »Wenn irgendwas ist, egal, was … Klopf an, ja?« Ihre dunklen Augen waren voller Anteilnahme. »Komm her!«
    Der Ärger über ihr Vorpreschen eben bei seiner Mutter war längst verflogen. Wieso musste sie nur so toll sein? Und von ihr umarmt zu werden, fühlte sich so verdammt gut an. Ob er es wohl jemals schaffen würde, dass sie ihn kaltließ?
     
    »DIESMAL HAT SIE Sie nicht angerufen, oder?«, sagte Sascha in die tiefe, gedankenschwere Stille hinein, die zwischen ihm und Androsch entstanden war. Es war die erste Stunde nach Natalies Tod. Irgendwie kam das Gespräch heute nur schwer in Gang.
    Androsch schaute von seinem Block auf. »Was? Wen meinst du?« Anscheinend war er mit den Gedanken ganz woanders gewesen.
    »Natalie. Sie haben doch gehört, dass sie tot ist?«
    Androsch nickte. »Ihre Mutter hat mich gestern informiert. – Wie gut kanntet ihr beiden euch eigentlich, du und Natalie?«
    Das hatte Sascha sich in den letzten Tagen selbst auch schon oft gefragt. Irgendwie war sie ihm nah und fern zugleich gewesen. »Keine Ahnung«, sagte er schließlich. »Sie hat keinen wirklich an sich rangelassen. Also … mich zumindest nicht.«
    Androsch schaute wieder auf seinen Block, stumm wie ein Stück Holz.
    »Kommen Sie auch zur Beerdigung?«
    »Ähm …«, Androsch räusperte sich, »… würde ich wirklich gerne. Leider bin ich die nächsten Tage verreist.« Eilig, wie um weitere Nachfragen im Keim zu ersticken, schloss er an: »Wie geht es dir mit dieser Situation? Dass wieder jemand aus deinem Umfeld gestorben ist, meine ich.«
    »Keine Ahnung. Am Anfang war es schon heftig, aber jetzt geht’s.«
    Wieder verfiel Androsch in Schweigen. Es war jedoch nicht das übliche wissende Schweigen, in das er sich gerne hüllte. Zum ersten Mal hatte Sascha das Gefühl, dass er einfach nicht wusste, was er sagen sollte. Der Tod brachte anscheinend jeden zum Verstummen, wenn er nur nahe genug an einen herankam. Fühlte Androsch sich schuldig? Weil er Natalie nicht hatte retten können?
    »Was soll das heißen: ›Jetzt geht’s‹?«, fragte er mit langer Verzögerung, so als wären Saschas letzte Worte erst in diesem Moment zu ihm durchgedrungen.
    »Ich lass das gar nicht mehr an mich ran. Ich hab mir eine Übung ausgedacht, so eine wie die von Ihnen. Nur besser.«
    »Ach, wirklich? Erzähl.«
    »Ich stelle mir vor, dass mein Herz eine undurchdringliche Schutzschicht hat, eine Art Superschild. Nichts kommt durch.«
    »Aha. – Und was ist mit den schönen Sachen? Liebe, Freundschaft und so? Kommen die wenigstens rein?«
    Sascha zuckte mit den Schultern. »Wenn ich will, schon.«
    »Das hört sich ja nach einer ziemlich praktischen Sache an.«
    »Funktioniert auch super.«
    »Tatsächlich.«
    Wieso sagte er nicht, dass er die

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