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Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Titel: Stirb mit mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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denn obwohl sie einstellig ist, enthält sie eine unendliche Anzahl von Brüchen und Teilen. Sie steht für den Anfang, deshalb mögen die Menschen sie. Ich mag vor allem das Klare an ihr. Alles unter 1 entspricht dem Ungewissen. In der Statistik steht die 1 für 100   Prozent. 95   Prozent entsprechen demnach 0,95. Ich sammele die Einsen in meinem Kopf, so wie ich früher Briefmarken gesammelt habe, die im Vergleich jedoch banal sind. Briefmarken landen für gewöhnlich in einem Schrank unter der Abseite der Treppe, treffen nur auf Staubkörner oder hier und da auf eine vorbeihuschende Maus. Dagegen verweisen gesammelte Einsen auf Ereignisse, auf reales Leben. Ich arbeite mit der 1 oder vielmehr mit allen Zahlen von 0 bis 1, doch die 1 ist mein Favorit. Ich versuche, mein Leben nach ihr zu führen. Sie macht es leichter, ist wie ein gutes Hemd: bequem und vertraut.
    Obwohl nur Gott unsterblich ist, kommt es dem Durchschnittsmenschen anscheinend nie in den Sinn, dass er jeden Tag sterben könnte. Er steht auf, frühstückt, gibt seiner Frau und seinen Kindern einen Abschiedskuss, fährt zur Arbeit, kommt nach Hause, schläft und fängt am nächsten Tag wieder von vorne an. Mit der hundertprozentigen Gewissheit der 1 glaubt er, dass er am nächsten und übernächsten Tag wieder aufwachen wird. So sind die Menschen gepolt.
    Eines Morgens kommt er auf dem Weg zur Arbeit an einem Unfall vorbei, sieht das rotierende Blaulicht des Rettungswagens, und ihm wird wieder bewusst, dass er sterblich ist. Die Gewissheit seines Lebens ist nicht mehr wie die 1. Sie liegt weit, weit darunter. Der Mensch, der den Unfall sieht, nimmt sich vor, künftig langsamer zu fahren. Vor seinem geistigen Auge tauchen nüchterne Sachverhalte auf, er erkennt die Gefahren auf seinem Weg, das Motorrad, das vor ihm ausschert, der Wagen vor ihm, der jäh bremst und abbiegt. Doch dann schaut er auf die Uhr, sieht den zähflüssigen Verkehr, denkt an das bevorstehende Meeting und fragt sich, warum die Schlafmütze in dem Wagen vor ihm nicht auf der rechten Spur fährt, sondern in gemächlichem Tempo über die Überholspur zockelt und was das soll. Die Warnsignale vor seinem geistigen Auge verblassen, der Tod ist vergessen. Sein Leben wird wieder so selbstverständlich und gewiss wie die 1.
    Die meisten Menschen sterben mit der Geschwindigkeit eines Lidschlags. Aus 1 wird 0.
    Man kann einer oder eine sagen, denn die 1 ist die einzige Zahl, die sowohl männlich als auch weiblich sein kann. Darüber hinaus kann sie für Gott stehen.
    Krish, Du weißt, dass wir die Aufgabe haben, Sicherheit zu bieten. Wir helfen Menschen, Risiken einzugehen, denn wer würde schon ein Haus kaufen, wenn er es nicht gegen Feuer und Wasser versichern könnte. Wer würde ohne Versicherung einen Wagen fahren? An dem Punkt kommen wir ins Spiel. Wir berechnen, wie wahrscheinlich ein Feuer oder ein Wasserschaden ist, bestimmen eine Zahl, stellen eine Gleichung auf, die den Menschen Schutz gewährt und ihnen ihren Seelenfrieden gibt, falls sie das Geld dazu haben. Letztlich dreht sich alles immer nur ums Geld, auch wenn ich es nicht in Pfund und Pennys betrachte, sondern in Primzahlen, Dezimalzahlen, Brüchen und Prozent. Wir beschäftigen uns mit dem statistischen Risiko, einem Risikofaktor, der durch diverse Gruppen bestimmt wird. Dank ihrer Gruppenzugehörigkeit kann eine Frau eine preiswerte Autoversicherung erhalten, ganz gleich, wie gut oder schlecht sie fährt. Wir alle gehören irgendwelchen Gruppen an, die sich wahlweise über unser Geschlecht, unsere Hautfarbe, unser Alter oder unsere gesellschaftliche Schicht zusammensetzen. Die Wahrscheinlichkeit ergibt sich stets aus dem Gruppenverhalten, nie aus dem Verhalten eines Einzelnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Gruppe keinen Unfall baut, kann bei fünfundneunzig Prozent liegen, auch wenn du zu den restlichen fünf Prozent gehörst.
    Meine statistischen Aussichten auf der Basis meiner Gruppe sahen gut aus. Weiß, männlich, gebildet, Angehöriger der Mittelschicht. Sie sahen sogar exzellent aus. Keine Geldsorgen und dazu ein niedriges Risiko, geschieden, krank oder Opfer eines Verbrechens zu werden. Aber wer weiß schon, ob er zu den fünf Prozent gehört? Oder ob er, wie ich, einer von vielen Millionen ist?
    Ich wusste nicht, dass so etwas passieren kann, dass es einen Augenblick gibt, der dein Leben zerfetzt, als habe jemand mit der Axt hineingeschlagen. Vor diesem Augenblick, vor der Erkenntnis, dass ich eine

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