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Stoner: Roman (German Edition)

Stoner: Roman (German Edition)

Titel: Stoner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Williams
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antworten konnte, wandte er sich an Walker. »Ausgehend von den Implikationen der Frage, die Ihnen Professor Holland gestellt hat – nämlich dass Godwin Lockes Theorie der empirischen Natur des Wissens akzeptierte – die tabula rasa und all das – und dass Godwin mit Locke der Ansicht war, durch die Akzidenzien der Leidenschaft und unvermeidlicher Ignoranz geschmälertes Wissen und Urteilsvermögen ließe sich durch Bildung kompensieren –, könnten Sie da bitte Shelleys Wissensprinzip kommentieren – insbesondere das Prinzip der Schönheit –, wie es in den letzten Versen seines Gedichts ›Adonais‹ zum Ausdruck kommt?«
    Verwirrt die Stirn runzelnd, lehnte sich Holland auf seinem Stuhl zurück. Walker nickte und sagte rasch: »Zwar sind die Anfangsverse von ›Adonais‹, Shelleys Tribut an seinen Freund und Kollegen John Keats, mit ihren Anspielungen auf die Mutter, die Stunden, Urania und so weiter wie auch mit ihren wiederholten Anrufungen im konventionellen Sinne klassisch, doch erscheint das eigentlich klassische Moment nicht vor der letzten Strophe, die im Wesentlichen eine erhabene Hymne an das ewige Prinzip der Schönheit ist. Richten wir etwa unsere Aufmerksamkeit einen Moment auf folgende berühmten Verse:

    Wie eine Kuppel aus vielfarbigem Glas färbt das Leben,
    den weißen Glanz der Ewigkeit,
    bis es der Tod in Stücke tritt.

    »Der diesen Zeilen immanente Symbolismus wird erst klar, wenn wir die Zeilen in ihrem Zusammenhang sehen. ›Das Eine bleibt‹, schreibt Shelley einige Verse zuvor, ›die Vielen verändern sich und vergehen.‹ Was an die gleichermaßen berühmten Zeilen von Keats erinnert:

    Das Schöne ist wahr, wahr das Schöne – das ist alles,
    Was ihr auf Erden wisst, alles, was ihr zu wissen braucht.
    Das Prinzip also ist die Schönheit, Schönheit ist aber auch Wissen. Und es ist dieses Konzept, das seine Wurzeln …«
    Fließend und sich seiner selbst sicher fuhr Walker fort zu reden, und die Worte sprudelten aus dem sich rasch bewegenden Mund, als ob … Stoner schreckte auf, und die Hoffnung, die sich gerade noch in ihm geregt hatte, starb so abrupt, wie sie geboren worden war. Einen Moment lang wurde ihm fast körperlich schlecht. Er blickte auf den Tisch und entdeckte zwischen den Armen sein Gesicht, gespiegelt im polierten Walnussholz. Das Bild war dunkel, und er konnte die eigenen Züge kaum erkennen; es war, als sähe er aus Hartem ein körperloses Gespenst hervorschimmern, das ihm entgegenkam.
    Lomax stellte seine Befragung ein, und Holland begann. Stoner musste zugeben, dass es eine meisterhafte Vorführung war, die Lomax unaufdringlich, doch mit großem Charme und bestem Humor zu dirigieren wusste. Wenn Holland eine Frage stellte, legte Lomax gutmütige Verwirrung an den Tag und bat um nähere Ausführungen. Dann wieder ergänzte er, wobei er sich für die eigene Begeisterung entschuldigte, Hollands Frage um eigene Spekulationen und bezog Walker in die Diskussion mit ein, sodass man meinen konnte, Letzterer trage tatsächlich zur Diskussion bei. Lomax wiederholte dieFragen mit anderen Worten (sich stets entschuldigend) und änderte sie so, dass die ursprüngliche Absicht in seinen Ausführungen verloren ging. Er schien Walker in höchst komplexe theoretische Streitgespräche zu verwickeln, doch war er es, der die meiste Zeit redete, um schließlich, sich immer wieder entschuldigend, von Hollands Fragen mit eigenen Fragen abzulenken und Walker dahin zu führen, wohin er ihn haben wollte.
    Stoner sagte unterdessen kein Wort. Er hörte dem Gespräch zu, das ihn umwogte, betrachtete Finchs zu einer Maske erstarrtes Gesicht, sah zu Rutherford hinüber, der mit geschlossenen Augen und nickendem Kopf dasaß, und registrierte Hollands Verwirrung, Walkers höfliche Verachtung, Lomax’ fieberhafte Lebhaftigkeit. Er wartete und wusste, was er zu tun hatte, und er wartete mit Bangen, Ärger und Kummer, mit Gefühlen, die von Minute zu Minute wuchsen. Er war froh, dass seine Blicke nicht erwidert wurden.
    Schließlich ging Hollands Fragezeit zu Ende. Als übertrüge sich Stoners Bangen irgendwie auf Finch, blickte der auf seine Uhr und nickte. Er sagte kein Wort.
    Stoner holte tief Luft. Immer noch auf sein gespenstisches Gesicht in der spiegelblanken Tischoberfläche starrend, sagte er ausdruckslos: »Ich werde Ihnen jetzt einige Fragen zur englischen Literatur stellen, Mr Walker. Es werden einfache Fragen sein, die keine ausführlichen Antworten verlangen. Und ich werde mit

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