Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
neben jedem Namen standen eine Nummer sowie alle möglichenBemerkungen, zum Teil hastig hingekritzelt, verschmiert, durchgestrichen.
»Und trotzdem«, beeilte sie sich fortzufahren, »
trotzdem
glaube ich, dass jeder einzelne unserer Mitarbeiter etwas zur unverwechselbaren, charakteristischen Atmosphäre des
Luna Blu
und damit zur Erfahrung der Gäste, wenn sie bei uns einkehren, beiträgt. Etwas, das sich auf einem Blatt Papier
nicht
vermittelt.«
Mein Vater sah sie mit ausdruckslosem Gesicht an. »Heute Mittag hat Leo ein Hühnersandwich mit Joghurt statt Schmand rausgegeben«, lautete seine trockene Replik.
Opal machte ein betretenes Gesicht. »In der orientalischen Küche ist Joghurt als Beilage zu Brot sehr beliebt«, sagte sie nach einem Moment.
»Aber wir sind nicht im Orient.«
»Es war ein Fehler!« Sie hob die Hände, als wollte sie sich ergeben. »Menschen machen Fehler. Niemand ist vollkommen.«
»Ein nobler Grundsatz, der schon Kindergartenkindern unbedingt beigebracht werden sollte«, antwortete Dad. »Aber in einem laufenden, hoffentlich irgendwann profitablen Restaurantbetrieb müssen wir uns höhere Ziele stecken.«
Sie betrachtete ihre Hände. »Willst du damit sagen, wir müssen Leo rausschmeißen?«
Dad zog den Block näher an sich heran, blickte mit zusammengekniffenen Augen darauf. »Wenn wir uns nach Chuckles’ Vorgaben richten, ja. Wir müssten im Prinzip allen, die oben auf der Liste stehen, kündigen, zumindest bis zu einer gewissen Bewertungspunktzahl.«
Opal stöhnte, rückte mit ihrem Stuhl ein Stück vom Tisch weg. »Aber das sind keine Bewertungspunktzahlen. Das sind Menschen. Nette Menschen.«
»Die den Unterschied zwischen Joghurt und Schmand nicht kennen.« Sie verdrehte entnervt die Augen, woraufhin mein Vater hinzufügte: »Opal, das ist meine Aufgabe. Wenn irgendetwas nicht funktioniert oder irgendwer nicht spurt, muss was geändert werden.«
»Wie bei den Rosmarinbrötchen.«
Er seufzte. »Sie kosteten in der Herstellung zu viel, sowohl Geld als auch Zeit, und wir hatten nichts davon, finanziell, meine ich. Im Gegenteil, ich vermute, wir haben Verlust damit gemacht.«
»Aber sie haben mir geschmeckt«, sagte sie leise.
»Mir auch.«
Opal sah ihn überrascht an. »Wirklich?«
»Ja.«
»Ich dachte, du magst vor allem die Essiggurken.«
Mein Vater schüttelte den Kopf.
Ich mischte mich ein: »Er hasst Essiggurken. Er hasst jegliche Form von eingelegtem Gemüse.«
»Vor allem in frittiertem Zustand«, fügte er hinzu. Opal starrte ihn ungläubig an. Dad fuhr fort: »Aber es geht nie um meine persönlichen Vorlieben, sondern darum, was für ein Restaurant das Beste ist. Man darf das Ganze nicht so emotional sehen.«
Was sie ins Grübeln zu bringen schien. Ich stand auf, stellte mein leeres Glas ins Spülbecken. Opal sah Dad an. Pause, schließlich: »Eins sage ich dir: Deinen Job könnte ich nie im Leben machen.«
»Was meinst du damit?«, fragte Dad.
»Das hier.« Opal deutete auf den Block, der zwischen ihnen auf dem Tisch lag. »Irgendwo auftauchen, den Laden übernehmen, Änderungen einführen, die alle nerven, Leute feuern, ganz zu schweigen davon, wie viel Zeit und Energiedu investierst. Denn wenn du fertig bist, ziehst du weiter und fängst dasselbe woanders wieder von vorne an.«
»Das gehört eben dazu bei dem Job«, meinte er.
»Ich hab’s begriffen.« Sie nahm sich noch eine Serviette, fing an, kleine Streifen in die Ränder zu reißen. »Aber wie schaffst du es, dich letztlich nirgendwo wirklich einzulassen? Auf den Ort, auf die Leute …?«
Ich drehte den Wasserhahn zu, um Dads Antwort auf keinen Fall zu verpassen.
»Es ist tatsächlich nicht immer einfach«, sagte er, nachdem er einen Moment geschwiegen hatte. »Aber viele Jahre lang hatte ich mein eigenes Restaurant, wo ich mich mit Haut und Haaren eingelassen habe, sogar mehr als das: Mein Herzblut steckte darin.
Das
aufzugeben war wirklich schwer. Sogar noch viel schwerer.«
»Was du nicht sagst«, gab Opal zurück. »Ich liebe das
Luna Blu
, seit ich als Teenie da angefangen habe. Es ist wie ein Zuhause für mich.«
»Und genau das ist der Grund, warum dein Ziel sein sollte, aus dem
Luna Blu
das Beste überhaupt rauszuholen«, entgegnete mein Vater. »Warum alles so perfekt wie möglich sein soll. Selbst wenn das bedeutet, dass du einige kniffelige Entscheidungen treffen musst.«
Einen Augenblick lang herrschte Stille. Schließlich faltete Opal die eingerissene Serviette zusammen,
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