Storm: Thriller (German Edition)
überflüssig. Nichts weiter als Erinnerungen. Und außerdem – jetzt war es Zeit, den ganzen Kleinkram aus dem Kopf zu verbannen und anzufangen zu fliegen!
Früher, das wusste Kyle, da hätte er die ganze Sache bis ins kleinste Detail durchplanen und skizzieren wollen – nein, müssen. Aber diese Zeiten waren vorbei. Jetzt hingen die verschiedenen Optionen einfach vor ihm in der Luft, wie Obst, das nur darauf wartete, gepflückt zu werden.
Vielleicht ging das letzte Kapitel ja ungefähr so: Alex wacht auf dem Fußboden des Badezimmers auf, hat das Messer noch in der Hand. Er steht auf, ist desorientiert, und stolpert ins Schlafzimmer. Dort entdeckt er Bree mit aufgeschlitztem Leib im Bett liegend. Er rennt los, um nach den Kindern zu sehen, aber überall das Gleiche. Die Großmutter auch. Alex kann sich an gar nichts erinnern, nicht einmal daran, wie er am Abend nach Hause gekommen ist. Dann schnell ein, zwei Jahre vorgespult. Alex bekommt am eigenen Leib die beispiellose Hölle eines Hochsicherheitstrakts zu spüren. Er verfault in seiner Unschuld, während die Wände, die ihn umgeben, jeden Tag ein kleines bisschen näher kommen.
Oder auch nicht.
Vielleicht würde er Alex umbringen, ihm endgültig und ein für alle Mal das Licht auspusten. Die Vorstellung einer guten, altmodischen Folterbehandlung mit anschließendem Mord, gar nicht zu reden vom realen Anblick des sterbenden Cross, hatte durchaus eine Menge für sich.
Aber zunächst gab es keine Notwendigkeit, sich schon für einen bestimmten Schlussakt zu entscheiden. Seine einzige Aufgabe im Moment war die, Max Siegel zu sein, sich keiner Möglichkeit zu verschließen und sich immer auf das unmittelbar Bevorstehende zu konzentrieren.
Und das war im Augenblick Agentin Patel.
Er sah nach ihr und stellte fest, dass sie so langsam anfing, weich zu werden. Alles in Butter. Sobald sie die ersten Düfte absonderte, war er sie los.
»Wir hatten doch auch eine Menge Spaß zusammen, oder?« sagte er und beugte sich hinab, um ihr einen keuschen Abschiedskuss auf die Lippen zu drücken. Dann steckte er seinen Gast in einen normalen, weißen Leichensack und zog den Reißverschluss zu.
67
Schon wieder früh am Morgen und schon wieder ein Anruf von Sampson. Dieses Mal war ich noch nicht einmal aufgestanden.
»Hör zu, Süßer, ich weiß, dass du einen wahnsinnig stressigen Abend auf dem Parkway hinter dir hast, aber ich dachte, das interessiert dich bestimmt. Wir haben schon wieder eine Zahlen-Leiche gefunden.«
»Tolles Timing«, sagte ich. Ich lag flach auf dem Rücken und spürte Brees Arm auf meiner Brust.
»Ich schätze, niemand liest meine Hausmitteilungen genau zu diesem Thema. Hör mal, ich kann das für dich übernehmen, wenn du eine Pause brauchst.«
»Wo bist du jetzt?«
»Am Busbahnhof hinter der Union Station. Ernsthaft, Alex, du hörst dich an wie die üble Hälfte eines Katers. Warum bleibst du nicht einfach, wo du bist, und vergisst, dass ich angerufen habe?«
»Nein«, erwiderte ich. Mein Körper hatte keinen anderen Wunsch, als mit dieser Matratze zu verschmelzen, aber ein Tatort ist nur ganz am Anfang noch frisch und unberührt. »Ich komme, so schnell ich kann.«
Als ich mich aufsetzte und die Beine aus dem Bett schwang, griff Bree nach meinem Arm.
»Oh, Gott, Alex, früher geht’s ja wohl wirklich nicht. Was ist denn jetzt schon wieder los?«
»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe«, sagte ich und gab ihr einen Guten-Morgen-Kuss. »Und übrigens: Ich kann es kaum erwarten, dich zu heiraten.«
»Ach ja? Und was ändert das jetzt daran?«
»Gar nichts«, meinte ich. »Ich kann’s bloß kaum erwarten.«
Ihr Lächeln war selbst im Halbdunkel ein wunderschöner Anblick. Ich kenne keine Frau, die schon am frühen Morgen so gut aussehen kann wie sie. Oder so sexy. Ich musste schnell aufstehen, sonst fing ich vielleicht etwas an, das ich nicht zu Ende bringen konnte.
»Soll ich mitkommen?«, sagte sie, leicht benommen zwar, aber immerhin auf einen Ellbogen gestützt.
»Nein, danke. Das schaffe ich schon. Aber wenn du die Kinder zur Schule …«
»Klar. Sonst noch was?«
»Ein paar schnelle, unaussprechliche Handgriffe, bevor ich gehe?«
»Ein anderes Mal«, meinte sie. »Sampson wartet auf dich. Und jetzt geh – bevor wir noch etwas machen, das wir später nicht bereuen.«
Wenige Minuten später stürmte ich zur Haustür hinaus … und musste mich zuerst einmal gegen die Wachmänner durchsetzen. Es war erst wenige Stunden her,
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