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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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den Augen. Denn Saskia Kram war … nun, Dichter sahen einfach nicht so aus. Er blickte ihr in die blauen Augen, betrachtete die zentimeterlangen, schwarz getuschten Wimpern, den schüchternen Gesichtsausdruck, die ganz leicht geöffneten Lippen, das honigblonde Haar, das über ihre Wangenknochen fiel, Wangenknochen wie, nun ja, wie Schwertmuscheln, und erinnerte sich wieder an diesen Abend, eine Dinnerparty im Haus seines amerikanischen Herausgebers in Pacific Palisades. Saskia Kram hatte neben ihm gesessen und sich als großer Fan zu erkennen gegeben. Sie hatte darüber gesprochen, dass sie in ein paar Monaten hier in Los Angeles ihren neuesten Gedichtband vorstellen würde. Was für eine Ehre es für sie wäre, wenn er das Grußwort sprechen würde. Mit welch fröhlicher – zugegebenermaßen war er ziemlich angeheitert gewesen – Jovialität er ihre Einladung akzeptiert hatte. Allerdings war diese Erinnerung mit zwei unguten Befürchtungen verbunden: Erstens musste er an diesem Abend versucht haben, sich ihr zu nähern. Was war daraufhin passiert? Und zweitens hatte ihr Verleger ihm zweifellos ein Ansichtsexemplar ihres Buches geschickt. Sein Blick schweifte suchend über die schwankenden Türme geöffneter, ungeöffneter und halb geöffneter Umschläge mit Manuskripten und gebundenen Mustern.
    Stephanie war immer noch dran: »… die New York Times schrieb, es würde ›unsere Vorstellung vom Feminismus neu definieren, mehr noch, was es bedeutet, jetzt, an diesem historischen Wendepunkt, eine Frau zu sein.‹«
    Himmel, Arsch und Zwirn, eine feministische Dichterin. Millie war mit ihrem Werk vermutlich bestens vertraut. Millie, die Akademikerin.
    »Ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Entschuldige, Steph. Ich werde da sein.«
    »Du siehst dir gerade ihr Foto an, stimmt’s?«
    Kennedy konnte ihr Lächeln regelrecht hören – und ignorierte es. »Schicken die mir einen Wagen?«
    »Kennedy, das ist eine Dichterlesung in einem Buchladen. Ich kann einen bei deinem Chauffeurservice für dich buchen, wenn du willst.«
    »Ja, mach das. Lincoln Town Car, bitte. Diese anderen Idioten haben mir beim letzten Mal eine Stretchlimo geschickt. Ein beschissenes Junggesellinnenabschieds-Mobil.« Nur zu, aber wir haben dich anders erzogen. »Tut mir leid wegen der Flucherei vorhin.«
    »Schon in Ordnung. Also gut, wenn ich dich schon mal an der Strippe habe. Das Dinner mit Michael Curzon – wäre dir Donnerstag recht?«
    »Ach, Scheiße.«
    »Braden meinte …«
    »Ja, ja. Ich weiß. Ich komm wohl nicht drum rum. Lässt sich das nicht bei ein paar Drinks erledigen?«
    »Der Filmstar wünscht sich ein Dinner mit dem charmanten irischen Autor.«
    »Mist. Na gut, wenn’s denn sein muss.«
    »Er möchte ins Chav.«
    »Oh nein. Können wir nicht ins Animal gehen?«
    »Der Filmstar ist Vegetarier.«
    »Diese Idioten. Dann halt ins Chateau.«
    »Der Filmstar will ins Chav. Das Chav ist hip.«
    »Oh Mann. Na gut.«
    »Ich hab’s eingetragen. Donnerstag um acht. Viel Spaß.«
    »Womit hab ich das verdient, Stephanie? Mein Leben ist die Hölle.«
    »Stell dich nicht so an, Kennedy. Küsschen. Und mach’s gut. Ach ja – und viel Glück mit Saskia morgen Abend.«
    »Steck dir deine guten Wünsche doch sonst wohin«, erwiderte Kennedy nicht ohne Zuneigung. »Ach, und Steph?«
    »Was denn noch?«
    »Ich brauche einen neuen Laptop.«
    »Schon wieder?«
    »Ja, ich … ich habe einen Drink über das Mistding geschüttet.«
    Ein theatralischer Seufzer. »Du verheizt Laptops wie andere Autoren Papier, Kennedy.«
    »Ja, ja, ich weiß.« Er legte auf, betrachtete einen Augenblick lang andächtig das Gesicht von Saskia Kram – wobei er sich fest vornahm, Google später nach etwas wichsvorlagenkompatibleren Fotos der gefeierten feministischen Dichterin zu durchsuchen – und klickte auf seinen E-Mail-Account. Was ihn erwartete, war der reinste Horror. Und zwar der mit Abstand schlimmste Teil eines Horrorfilms. Ein einziges blutiges Gemetzel. Eine Wand aus blankem schwarzem Text, ein ganzer Bildschirm voller ungelesener E-Mails. Kennedy hatte einen Grundsatz: Man musste ihm erst drei E-Mails schicken, bevor er die Angelegenheit für dringend genug erachtete, um darauf zu antworten. Früher waren es zwei gewesen. Unter den aktuellsten Mails im Posteingang befanden sich eine von seinem Bruder mit dem Betreff »Mum«. Und drei von Connie Blatt. Alle drei waren noch keine vierundzwanzig Stunden alt, und die Betreffzeile steigerte sich von »Ruf mich

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